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28. Juli 2011
Globish: Eine nette Idee - nicht mehr, nicht weniger

Die Nachfrage nach einer einzelnen Weltsprache, auf die sich alle Menschen verstehen, kann aus völlig unterschiedlicher Motivation heraus entstehen. Schon die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel verdeutlicht, wie eine gemeinsame Sprache einen praktischen Nutzen haben, aber auch den menschlichen Zusammenhalt fördern kann. Konkretere Überlegungen, wie so eine Sprache aussehen könnte, führen unweigerlich zu weiteren Fragen ganz anderer Art: Aus praktischen Gründen würde man eine bereits existierende Sprache vorschlagen, stößt dann aber auf die sozialen, politischen und kulturellen Probleme, die daraus entstehen, dass jede existierende Sprache eine gesamte Kultur oder sogar ein Land repräsentiert. Erfindet man eine Sprache komplett neu (Plansprache, siehe etwa Esperanto), stößt man mindestens auf jene Kontroversen, die schon bei so einfachen Themen wie einem einheitlichen Handyladegerät entstehen.

Einige dieser Probleme werden recht überzeugend und zunächst auch wohl durchdacht in Globish - Die neue Weltsprache? angegangen. Die Autoren Jean-Paul Nerrière und David Hon sind selbst keine Linguisten. Bestenfalls David Hon, der einen Magister in Englisch hat, kann akademische Bildung in diesem Fachbereich vorweisen.

Die Herangehensweise an die Frage der Weltsprache ist dementsprechend auch weniger akademisch als vielmehr pragmatisch und bodenständig. Zunächst wird die unzweifelhafte Tatsache in den Raum gestellt, Englisch habe sich als weltweite Verkehrssprache längst etabliert. Sie von diesem Platze zu verdrängen sei kaum denkbar.

Englisch ist also der Ausgangspunkt des Buches. Wesentlich am weiteren Verlauf des Diskurses ist aber die Tatsache, dass diese Grundlage nicht gerade günstig ist. Diese Erkenntnis zieht sich durch die gesamten 200 Seiten und ist Anlass, nicht Englisch Weltsprache sein und werden zu lassen, sondern das Konzept "Globish" in den Raum zu werfen, das gleichzeitig die Entfremdung der englischen Sprache von ihren kulturellen Wurzeln verhindern und den Lernprozess verkürzen und übersichtlicher gestalten soll.

Im Zentrum von "Globish" steht das Bestreben, den längst etablierten Kern der englischen Sprache, der tatsächlich in der internationalen Kommunikation verwendet wird und sinnvollerweise verwendet werden sollte, zu entwurzeln und durch die Taufe auf einen neuen Namen zu emanzipieren.

Zwischen diesem etablierten Kern und dem kulturell und historisch verwurzelten Englisch bestehe nämlich bereits heute eine beidseitige Inkompatibilität und Ablehnung. Einerseits könne das "richtige Englisch" die internationale Kommunikation sogar erschweren: Die Kommunikation zwischen Fremdsprachlern auf Englisch funktioniere erfahrungsgemäß besser als zwischen einem Fremdsprachler und einem Muttersprachler. Dem verwendeten Vokabular und der Sprechgeschwindigkeit, aber auch dem Akzent bzw. Dialekt wird hier eine entscheidende Rolle beigemessen. Umgekehrt sehe ein Liebhaber der englischen Sprache in der "Verkehrssprache Englisch" eine Bedrohung: "Globish kann auch die englische Sprache davor schützen, von anderen Kulturen zerbrochen zu werden" (Seite 64).

Solange außerdem Englisch den Posten der Verkehrssprache für sich beansprucht, werde sich politische sowie kulturelle Abneigung nicht verhindern lassen. In Ländern, in denen etwa die amerikanische Kultur kein gutes Ansehen hat, sei Englisch seltener die bevorzugte Verkehrssprache.

Das Erlernen einer Fremdsprache beinhaltet traditionell auch immer eine Auseinandersetzung mit der damit verbundenen Kultur. Für eine Verkehrssprache, die idealerweise auch schnell zu erlernen sein soll, wäre dieser kulturelle Hintergrund eher ein Balast. Globish ist letztendlich also die Idee, ein Stück aus der englischen Sprache zu isolieren, ihm den Namen "Globish" zu verpassen und dann zu sagen: "Wenn man diese Dinge gelernt hat, ist man fertig" (Seite 49). Dabei werden hinderliche Details, wie die Unterschiede zwischen der britischen und der amerikanischen Aussprache, Schreibweise oder Grammatik vernachlässigt. "Und auch sonst sollte sich niemand darum kümmern", heißt es dazu etwas zu radikal für meinen Geschmack auf Seite 61.

Angesichts der Tatsache, dass das Buch im Sprachenverlag Langenscheidt erschienen ist, fehlt ihm an vielen Stellen die fachlich-linguistische Grundlage. Für einen durchschnittlichen Leser ist das allerdings sehr angenehm und man bekommt das Gefühl, die Vorsätze dieses neuen Konzepts seien weniger utopisch und ideell. Tatsächlich trügt dieser Eindruck aber: Letztendlich dreht sich das Buch nur um die Etablierung eines neuen Begriffs für etwas, das längst im Kommen ist, indem man es schärfer abgegrenzt als bisher.

Zugegebenermaßen versucht man auch, Forderungen für die Praxis aufzustellen. Da ist zum Einen die Forderung nach kompakteren Sprachkursen, deren Umfang und Nutzen von Anfang an klar definiert ist: In 120 Lerntagen soll man Globish, das auf 1500 Vokabeln eingegrenzt wird, erlernen können. Während die Theorie hier eiskalt vorrechnet, wie viele Vokabeln und Grammatikregeln man bei dieser Zielsetzung pro Tag zu lernen hat, vergisst man, dass am Ende doch die Sprachpraxis den entscheidenden Lernfaktor darstellt. Die Einschränkung auf ein fixes Vokabular ist viel zu formal und von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Außerdem ist die Idee von Sprachkursen, die sich auf das wesentliche beschränken, längst allerorts in die Tat umgesetzt worden.
Andererseits will man englische Muttersprachler dazu auffordern, sich in der internationalen Kommunikation auf Globish zu beschränken und diese "neue Sprache" als in sich abgeschlossenes Mittel der Kommunikation zu akzeptieren. Es ist tatsächlich offenbar notwendig, dass sich Muttersprachler in der internationalen Kommunikation gewissermaßen umstellen müssen, damit sie von Fremdsprachlern besser verstanden werden. Solche Tendenzen sind aber bereits erkennbar und es spricht Einiges dafür, dass sich der diesbezügliche Wandlungsprozess auch ohne eine solche konkrete Forderung schließlich vollziehen wird.

Ich halte "Globish - Die neue Weltsprache?" für eine interessante Lektüre. Sie beleuchtet viele Probleme der Entwicklung des Englischen zur internationalen Verkehrssprache neu und behandelt diese Entwicklung auch kritisch. Leider zeigt das Buch hier aber keinen nennenswerten Tiefgang, was zum einen darin begründet ist, dass die beiden Autoren nicht vom Fach sind, zum anderen, dass sie ein breites Publikum ansprechen möchten. Obwohl der letztere Aspekt eine entscheidende Rolle bei der Konzeption dieses Buches gespielt haben mag, ist der titelgebende Lösungsvorschlag "Globish" für das Weltsprachenproblem meiner Meinung nach ein Schuss in den Ofen. Was er suggeriert und anstrebt, wird sich auch ohne den bloßen Begriff und die damit verbundene Ideologie durchsetzen. Das zeichnet sich längst ab. Unter Sprachpuristen, die sich eine Abgrenzung des richtigen Englisch von der vereinfachten Verkehrssprache wünschen, wird sich der Begriff vielleicht durchsetzen und seinen psychologischen Nutzen beweisen. Aber die reformatorische Kraft, die sich Nerrière und Hon davon versprechen, traue ich "Globish" nicht zu.

An dieser Stelle noch ein Dank an Langenscheidt, die mir ein Exemplar des Buches zur Verfügung gestellt haben.

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