tovotu

3. Oktober 2008
Fader Friedhof Komplex?

Die geschichtlichen Hintergründe waren mir noch gar nicht bekannt, bevor ich den Film "Der Baader Meinhof Komplex" im Kino schaute. Zwar behaupte ich, dass ich durch den Film so einiges über die damaligen Ereignisse dazugelernt habe, aber ein gewisses Handycap stellten meine schlechten Vorkenntnisse sicherlich trotzdem dar. Bisweilen war nämlich nur schwer zu erkennen, wo bestimmte Personen plötzlich herkamen und welche Rolle sie spielen sollten, bevor diese Personen auch schon wieder von der Leinwand verschwunden waren. Gründe und Voraussetzungen für gewisse Pläne und Handlungen blieben für mich bis zum Schluss im Dunkeln.

"Der Baader Meinhof Komplex" stützt sich auf ein vor über 20 Jahren erschienenes Buch, das sich wiederum auf geschichtliche Tatsachen beruft. Diese doppelte Konvertierung birgt die Gefahr in sich, dass ursprüngliche Wahrheiten verdreht werden. Einem uninformierten Zuschauer wie mir würden solche Ungenauigkeiten natürlich nicht auffallen, was unter Umständen zu fatalen Fehlinformationen führen kann.

Zum Glück ist jedoch schon die literarische Vorlage des Films ein mehrfach gepriesener Bestseller und bei meiner Recherche im Internet fand ich im Nachhinein zahlreiche Aussagen, der Film habe sich erfolgreich an die Details des Buches gehalten, sodass außerdem eine vorbildlich objektive Erzählweise gelungen sei. Teilweise hat der Film sogar Originalaufnahmen aus der damaligen Zeit verwendet, andere Szenen wurden an den Originalschauplätzen gedreht und bestimmte Ausschnitte stimmen in ihrer Inszenierung bis ins Detail mit überlieferten Bildern überein.

Obwohl der Film kaum Hauptrollen aufzuweisen hat, die nicht positiv zur RAF stehen, wird der Film von den meisten Kritikern dafür gelobt, die RAF-Gruppe nicht zu heldenhaft in den Vordergrund zu stellen. Dem entgegen sprechen die Stimmen, die der Inszenierung vorwerfen, sie vernachlässige das politische Moment der damaligen Zeit sehr und entbehre eine notwendige Moral für die heutige Zeit, zu der die damaligen Konflikte hinsichtlich Grundrechtsverletzungen noch hochaktuell seien. Bisweilen gibt es auch Äußerungen, der Film enthalte viel zu viele populistische Züge. Die Action-Szenen könnten gut und gerne aus einem Hollywood-Streifen stammen. Eine Umfrage unter Kino-Zuschauern ergab wiederum, dass dieser Film sich gerade von Hollywood-Action stark abhebe und vor ungewohnt unzensierter Gewalt strotze.

Meine persönliche Meinung zu dem Film fällt gewissermaßen gemischt aus. Die Authentizität der Darstellung kann ich nur anhand mir vorliegender Kritiken bewerten. Der Film hat in dem Moment, in dem er sich auf wahre Gegebenheiten stützt, eine informative Verantwortung. Da man sich zum Ziel gesetzt hat, zehn Jahre Zeitgeschichte in 150 Minuten zu pressen, fällt dabei Einiges unter den Tisch, doch mehr Informationen ließen sich meiner Einschätzung nach nicht rüberbringen. Immerhin fühle ich mich nach dem Kinobesuch um Einiges schlauer, was das Thema betrifft - der gegebene Überblick scheint also ein Vorzug des Films.

Als Spielfilm muss der Film zweifellos allerdings auch andere Qualitäten aufweisen. Dazu gehört ein gewisser Spannungsbogen bzw. Unterhaltungscharakter und die Vermittlung von Stimmung. Letztere wird natürlich dominiert von Entsetzen über die grauenhafte Gewalt und die hoffnungslos verdrehten Gemüter der RAF-Mitglieder. Aber darüber hinaus schleichen sich ständig Momente ein, wo die Stimmung davon getrübt wird, dass ich dem Handlungsverlauf nicht folgen kann oder einfach nur noch Langeweile verspüre. Und damit sind wir beim Spannungsbogen angelangt. Der Spannungsbogen wird schon in den ersten Szenen vor der Berliner Oper voll gespannt - danach leiert sich der Bogen nur noch aus. Die 150 Minuten zogen schmerzlich langsam an mir vorbei, sodass ich am Ende hätte schwören können, der Film übersteige sogar den zeitlichen Umfang des dritten "Herr der Ringe"-Teils (193 Minuten)!

So bleibt also als Fazit zu sagen: "Der Baader Meinhof Komplex" ist es Wert, gesehen zu werden, doch der interessierte Zuschauer sollte nach Möglichkeit geschichtliche Vorkenntnisse und viel Ausdauer mitbringen. Über die Altersbeschränkung von 12 Jahren lässt sich in der Tat streiten, wenn man die wirklich äußerst rohe Gewalt betrachtet.

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