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28. September 2011
Interrail-Trip durch Osteuropa: Reisebericht in Auszügen

Der statistische Rahmen dieser Reise wurde bereits in einem früheren Artikel zusammengefasst.

Angesichts der vielen Ziele auf unserer Reiseroute werde ich es in diesem Artikel bei einer Kompilation markanter Details und Anekdoten aus den unterschiedlichen Städten und Ländern belassen. Falls Interesse an näheren Informationen zu anderen Einzelheiten besteht, kann ich gerne auf Anfrage in einem Kommentar zu diesem Artikel darauf eingehen.

Prag. Ich erinnere mich an vier oder fünf junge Deutsche in weißen Unterhemden und Ray-Ban-Sonnenbrillen, die uns auf dem Weg vom Bahnhof zum Hostel entgegenkamen. Gut gelaunt hielten sie sich an ihren Bierflaschen fest, während sie auf dem Wenzelsplatz an den zahlreichen Dönerläden vorbei in Richtung Nationalmuseum schlenderten. Glücklicherweise konnte dieser kulturelle Rückschlag ohne Weiteres durch zahlreiche Schätze tschechischer Kultur wie das Café Louvre oder das Haus zur Schwarzen Mutter Gottes, das neben dem Museum über tschechischen Kubismus das Grand Café Orient beherbergt, wieder gut gemacht werden.

Wer hätte das geahnt? Bagels stammen aus Krakau. Und dort trafen wir auch tatsächlich bereits morgens um 7 Uhr die ersten Bagel-Verkäufer auf den Straßen. Außerdem hatten wir die besondere Gelegenheit, das menschenleere und dabei umso schönere Krakau, insbesondere seinen sonst so überlaufenen Hauptmarkt zu bewundern. Das Weichselufer und Schindlers Fabrik sowie das nahebei gelegene nagelneue Museum für Moderne Kunst (MOCAK) rundeten unseren positiven Eindruck von Polen ab.

Dass Taiwan so viel Geld in die Slovakei investiert, hätten wir wohl nie erfahren, wenn wir nicht auf den Bänken an der ansehnlichen Donau-Uferpromenade in Bratislava gelesen hätten, dass die öffentlichen Wifi-Hotspots vom Taipei Representative Office gesponsert wurden. Ebenso unvergesslich war allerdings der Skifahrer in der Fußgängerzone, der sich bei strahlendem Sonnenschein in voller Wintermontur über das schlechte Vorankommen mangels Schnee auf dem Pflaster ärgerte.

Für Budapest hatten wir leider zu wenig Zeit veranschlagt. Hier liefen wir so viel wie kaum irgendwo anders. Neben dem Burgberg rentierte sich auch der mühsame Aufstieg zur Zitadelle in Buda sowie der Besuch der Zentralen Markthalle und des Ludwig Múzeums neben dem Nationaltheater am Donauufer im Süden Pests. Unsere wunden Füße konnten wir nach Einbruch der Dunkelheit beim Verspeisen einer Banane am Heldenplatz entspannen. Eine einsame Inline-Skaterin machte vor, was man an diesem wunderbaren Ort zu später Stunde noch Meditatives anfangen konnte.

Am UNESCO-Weltkulturerbe Sighişoara (Schäßburg) wird mir vielleicht der alte evangelische Friedhof am besten in Erinnerung bleiben, der mit seiner attraktiven Lage am Hang und der geheimnisvollen Naturverwachsenheit einen recht transilvanisch-schaurig-schönen Eindruck auf uns machte. Die "wahrscheinlich beste Stadt der Welt" Braşov (Kronstadt) konnte durch ein bezauberndes Stadtbild, vorbildliche Gastfreundschaft und verführerische Nähe zum "Drakulaschloss" Bran überzeugen. Im wahrsten Sinne des Wortes herausragend war auch der Kapellenberg, von dem wir fast senkrecht aus 400 Metern Höhenunterschied auf die Stadt und das gesamte Burgenland herabschauen konnten.
Für das berühmte Donau-Delta war auf unserem Rumänienbesuch leider keine Zeit, womit wir den wichtigsten Teil Rumäniens offenbar verpasst hatten, wie eine Führerin im rumänischen Parlamentspalast, der wichtigsten touristischen Attraktion in Bukarest, beteuerte. Ein bisschen Natur bekommt man aber auch im Norden der rumänischen Hauptstadt zu sehen, wenn man auf der Kiseleff-Chaussee am Triumphbogen vorbei zum Park Herăstrău läuft. Doch Bukarest ist im Wandel - viele Baustellen ließen den Eindruck entstehen, dass sich ein erneuter Besuch in zehn, vielleicht auch schon in drei Jahren durchaus lohnen könnte.
Hatte es in Siebenbürgen bereits an Postfilialen und Briefkästen gemangelt, so wurde dieser Missstand in Bukarest auf die Spitze getrieben - hier schien es nämlich für die ganze Stadt nur ein einziges Postamt und keinen einzigen Briefkasten zu geben. Doch seltsamerweise sollte sich das auch in Bulgarien und der Türkei nicht bessern.

Ob in Sofia wirklich keine einzige Touristeninformation existierte oder ob wir sie nur aufgrund der uns unbekannten kyrillischen Schrift nicht finden konnten, ist bisher ungeklärt. Das besonders anziehende Ambiente in den zahlreichen Cafés und Restaurants Sofias lud zum Entspannen ein. Die vielen beschaulichen Plätze und Gebäude Sofias standen allerdings im Kontrast dazu, dass dies die einzige Stadt war, in der man gleich mehrmals versuchte, uns Falschgeld anzudrehen.

Dass unsere Reiseziele in der Türkei gerade die drei größten Städte mit 2,8 bis 13 Millionen Einwohnern waren, stellte sich nicht als die schlauste Wahl heraus. Natürlich konnte Istanbul trotz der überwältigenden Masse an Touristen, die aus gigantischen Kreuzfahrtschiffen in zahllose Reisebusse und aus Reisebussen in die Museen, Moscheen, Basare und Straßen strömten, in nahezu jeder Hinsicht überzeugen. Diese Metropole am Bosporus scheint über jeden Zweifel erhaben.
Anstatt allerdings in Ankara das größenwahnsinnige Mausoleum Atatürks (Anıtkabir) zu besuchen, dass die vielleicht einzige nennenswerte Attraktion der riesigen Hauptstadt darstellt, hätten wir besser die Landschaft Kappadokiens, die Kalksinterterassen Pamukkales, den Strand von Çeşme oder die antiken Ausgrabungen in Pergamon und Ephesus besucht.
Die zuletztgenannten vier Orte hätten großartige Ziele für Tagesausflüge von Izmir aus abgegeben. Da uns die Zeit dafür aber nicht reichte, sahen wir uns in Izmir die schöne Uferpromenade, die Bergung eines dort auf Grund gelaufenes Schiffs sowie ein paar Kilometer der Autobahn zu Fuß an. Neben den üblichen streunenden Hunden, die uns schon in den anderen Städten unserer Reiseroute begegnet waren, begegneten wir in Izmir auch erstmals einem streunenden Pferd, das sich in einem Industrieviertel über einen am Straßenrand lagernden Müllberg hermachte.

Da wir nun schonmal in Stuttgart gelandet waren, wollten wir uns wenigstens einen kurzen Einblick in die Hauptstadt der Schwaben nicht vorenthalten. Wir erlebten, wie sich zahllose Polizeiautos vor dem Württembergischen Staatstheater einfanden, um den Besuch des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül vorzubereiten und abzusichern. Vor der Touristeninformation durfte ich mir das Bedauern einer älteren Dame darüber anhören, dass Stadtpläne nicht mehr kostenlos ausgegeben werden und Stuttgart sowieso und vollends aufgrund des regen Drogenhandels den Bach heruntergehe. Sie berichtete von den schlechten Erfahrungen ihrer vergangenen Rumänienreise und den wundervollen Eindrücken aus Prag. Ich verübelte den Stuttgartern ihre 50 Cent für den Stadtplan nicht und kam weder im Kunstmuseum, noch in der Staatsgalerie, noch in der Fußgängerzone oder im Schlosspark mit Drogen in Kontakt - vielleicht ist Stuttgart ja doch noch zu retten.

Kommentare

Moritz 16. Oktober 2011

super Zusammenfassung!
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