Mal wieder die dritte Dimension simulieren
Schon unsere urzeitlichen Vorfahren stellten mit Naturfarben an Höhlenwänden Jagdszenen dar. Die Abbildung der Realität war geboren und sollte sich bis heute weiterentwickeln - von Strichmännchen über detailgetreue Ölgemälde bis zur heutigen Digitalfotografie. Ohne die Erschaffung komplizierter Plastiken und Skulpturen geht dabei aber nach wie vor etwas verloren: die räumliche Tiefe!
Seit Endes des letzten Jahrtausends macht man sich darüber Gedanken, wie ein einfaches Foto, ein einfacher Fernsehbildschirm oder die einfache Kinoleinwand die räumliche Tiefe erschließen kann. Die Techniken sind vielfältig und doch nur wenig benutzt, da sie nur unter gewissem Aufwand genossen werden können. An dieser Stelle präsentiere ich eine eher unbekanntere Art der räumlichen Simulation auf unbewegten Bildern: die Stereoskopie mit dem Kreuzblick.
Der Mensch kann "räumlich" sehen, weil er zwei Augen hat, die wenige Zentimeter auseinander liegen. Der Grundgedanke der Kreuzblicktechnik wie auch anderer 3D-Techniken ist die Nutzung dieser Tatsache, indem man das Motiv aus zwei Perspektiven abbildet, die sich nur um wenige Zentimeter voneinander unterscheiden. Legt man die beiden Bilder nebeneinander und schafft es, jedes Bild jeweils nur mit einem Auge zu fokussieren, entsteht eine Illusion der räumlichen Tiefe. Dabei kann das rechte Auge das rechte und das linke Auge das linke Bild übernehmen - dies bezeichnet man als Parallelblick. Es ist schwer, größere oder weiter auseinander liegende Motive damit zu betrachten, da man bei übergroßem Abstand zwischen den Bildmittelpunkten "nach außen" Schielen müsste, was eine sehr unnatürliche Augenbewegung darstellt. Beim Kreuzblick richtet man das rechte Auge auf das linke und das linke Auge auf das rechte Bild. Der 3D-Effekt bleibt derselbe, doch ist dieser auch bei deutlich größeren Motiven möglich: das Schielen in Richtung Nase ist nämlich durchaus nicht besonders unnatürlich.
Mit der Kreuzblick-Technik setzen sich auch heute noch einige Fotografen auseinander. Die Webseite drillingsraum.de (leider wurde die Seite aus dem Netz genommen, Stand Januar 2014) sei da zum Ersten genannt. Ferner beschäftigt sich der Fotograf Micha Luhn mit dem Thema und veröffentlicht zahlreiche Aufnahmen in der Fotocommunity.
Leider gelingt es nur wenigen, den Kreuzblick auf Anhieb erfolgreich anzuwenden. Dazu gehört eine gute Einführung und danach ein wenig Training. Zunächst ist es unheimlich hilfreich, wenn man mit dem Schielen (auf die Nase gucken) keine Probleme hat. Anderenfalls kann man dies auch durch das Fokussieren eines Fingers vor dem Gesicht erreichen. In der nebenstehenden Abbildung sieht man bei (1) die Ausgangsstellung. Schielt man sehr stark wie in (2), dann sieht man alles doppelt, also vier Bilder. Ziel ist es, Zustand (3) zu erreichen, bei dem die beiden mittleren der vier Bilder aus (2) sich überlagern und so nur noch 3 Bilder sichtbar sind. Beim Erreichen dieses Zustands fokussieren die Augen leider nicht immer sofort das mittlere Bild, sodass es stark verschwommen erscheint und der 3D-Effekt ausbleibt - bis das gelingt, bedarf es einiger Geduld!
Zuletzt noch einige hilfreiche Tipps:
- Kopf so halten, dass die Augen parallel dem Bild gegenüber sind
- einen markanten Punkt, der auf beiden Bildern existiert, auswählen und durch Schielen "übereinander schieben"
- wechseln zwischen "stark" und "schwach" schielen bis es sich "einpendelt"
- etwas weiter weg vom Bildschirm sitzen
- mit Finger:
Zeigefinger knapp unter das Bild halten und das Bild fokussieren (scharf stellen). Der Finger wird daurch verschwommen und doppelt. Bewegt ihn so weit auf euch zu, bis "beide" Finger (ihr seht ihn ja doppelt) jeweils in der Mitte der beiden Bilder sind. Wenn ihr jetzt den Finger fokussiert, habt ihr im Hintergrund drei (verschwommene) Bilder. Das mittlere müsst ihr nun versuchen scharf zu stellen.