Nicht lücken- und makellos aber trotzdem hübsch

Als der Norweger Jostein Gaarder 1993 sein erstes Buch unter dem Titel Sofies Welt (Originaltitel: "Sofies verden") veröffentlichte, setzte das den Startschuss für seine Schriftstellerkarriere. Ursprünglich hatte er diesen Roman für ältere Kinder und Jugendliche mit dem didaktischen Hintergrund der Einführung in die Geschichte der Philosophie verfasst. "Sofies Welt" schaffte den Durchbruch aber nicht zuletzt dadurch, dass auch Erwachsene an dem Buch ihre Freude haben konnten. Preisgekürt und hochgelobt wurde die Geschichte der 14jährigen Sofie Amundsen, die von einem anfangs unbekannten Lehrer in die Welt der Philosophie eingeführt wird, inzwischen auch verfilmt und als Musical, Brett- und Computerspiel umgesetzt.

Ich habe einige Stunden meiner Ferienzeit der Lektüre der etwa 600 Seiten gewidmet und bereue es nicht. Mein Hintergrundgedanke war, einen Überblick über die Geschichte der Philosophie zu bekommen, den ich nachfolgend durch "richtige" Fachliteratur vertiefen wollte. Formal scheint der Roman viel zu bieten: Der Schreibstil ist aufgrund der ursprünglichen Zielgruppe extrem verständlich und weiß auch durchaus zu fesseln. Die zugrundeliegende Idee eines Mädchens, das Philosophieunterricht erhält, stellt sicherlich ein solides Fundament dar und die Idee eines Romans im Roman, in dem darüber diskutiert wird, dass die Figuren des Romans angesichts des allmächtigen Autors keine Handlungs- und Willensfreiheit haben, halte ich für sehr originell. Außerdem kann man mit Recht behaupten, dass Sofies Welt einen recht großen Teil der Philosophiegeschichte zu umfassen versucht und dabei auf 600 Seiten gar nicht mal schlecht abschneidet.

Nun ist es aber eine auffällige Tatsache, dass sich auch viele Kritiker über das Werk den Mund zu zerreißen belieben. Deren Hauptkritikpunkte sind oftmals begründet und verdienen mindestens die Erwähnung. Ganz fundamental ist dabei die nicht bestreitbare Existenz von inhaltlichen Fehlinformationen bezüglich der philosophischen Themen - diese Fehler sind teilweise sogar mir als Laie aufgefallen. Die nächste Streitfrage wirft den Konflikt auf, zahlreiche große Abschnitte der Philosophiegeschichte seien so abgekürzt worden, dass ihre Bedeutung und ihre wahre Aussage häufig verzerrt würden. Dem Autor wird weiterhin vorgeworfen, Sofies Charakter sei unausstehlich und ihre besserwisserischen Äußerungen hemmten den Lesefluss. Sofies Antworten auf die Fragen des Lehrers frustrierten außerdem den Leser, da sie stets die korrekten Antworten aus dem Ärmel schüttle. Ein solches Verhalten würde in der Realität der Philosophie ohnehin zu keinem Fortschritt führen. Unter den zahllosen weiteren Kritikpunkten findet sich zum Beispiel noch, dass der Roman zu sehr vom religiösen Standpunkt des Autors beeinflusst werde, was ich allerdings für diskussionswürdig halte.

Mein eigenes Fazit lautet: Wer sich schon vorher nicht sonderlich für Philosophie interessierte, wird an dem Lesen des Romans leider vermutlich entweder keinen Spaß haben oder nicht gerade dazu angeregt werden, weiter in die Materie einzusteigen. Der Roman gibt nämlich allzu sehr ein abgeschlossenes Bild von Philosophie wieder und ist auf der anderen Seite wegen der stellenweise komplexen Themenbereiche gar nicht so einfach zu verstehen, wie man es von einem Kinderbuch erwarten würde. Trotz allem bezeichne ich das Buch als einen unterhaltsamen Schmöker und wem die Konzentration und Zeit fehlt, sich richtig mit Philosophie zu beschäftigen, der kann durchaus auch mal einen Blick in "Sofies Welt" werfen.

3. Juli 2008 - Tags: Literatur