Deutsche Sprachentwirrung
Was ist eigentlich "Hochdeutsch" und wozu brauchen wir es? Vergleichbar mit dem chinesischen Mandarin stellt Hochdeutsch eine Standardisierung der im deutschen Sprachraum gesprochenen Sprache dar. Bekanntermaßen war bei der Ausbildung von Hochdeutsch Martin Luther mit seiner Übersetzung der Bibel kennzeichnend. Zu dessen Zeiten wurde "Hochdeutsch" übrigens noch mehr im regionalen Sinne zur Unterscheidung vom im südlichen Deutschland gesprochenen "Niederdeutsch" verwendet.
Im Internet und in anderen Medien waren in den letzten Jahren viele Meinungen zu beobachten, laut derer sich scheinbar unzählige extrem unschöne sprachliche Wendungen in den täglichen Sprachgebrauch eingeschlichen haben. Um eine Quelle anzugeben, die auch wirklich weitreichende Verbreitung in der Öffentlichkeit fand, sei an dieser Stelle Bastian Sicks Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod genannt. Mit dem ersten der drei Bände, der sich 2004 in die Bestsellerlisten drängte, brach eine ungekannte Euphorie los. Plötzlich war die deutsche Umgangssprache ein Sorgenkind, das im Verfall inbegriffen ist.
Das sahen und sehen nicht alle so. Was wäre die Menschheit nur ohne die nach Kants Aufklärungsbegriff "mündigen" Personen, die sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen wagen? Eine Amazon.de-Rezension weiß dem selbst ernannten Richter der deutschen Sprache einige treffende Argumente entgegenzuschleudern und zieht Herrn Sick und seiner Zwiebelfisch-Kolumne damit erstmal die Hosen aus. Nach dieser Meinung ist die einzige Wissensquelle des Autors dessen eigenes Sprachgefühl, was durchaus ein bisschen an Glaubwürdigkeit hinken würde.
Lassen wir den Schlagabtausch des Rezensenten und des Autors mal offen und betrachten wir ein anderes Buch zum Thema: Eckhard Henscheids Dummdeutsch. Der Autor des satirischen Magazins Titanic unterzog die deutsche Sprache der 70er und 80er Jahre einer genauen Untersuchung und kam zu dem Schluss, dass dort vielfach benutzte Begriffe und Wendungen in eine Kategorie mit dem vielsagenden Namen "Dummdeutsch" einzustufen seien. Schon beim erscheinen des Buches wurde es allzu großer Kleinlichkeit und der "Witzelei" bezichtigt. Heute gilt das Werk nur mehr als veraltet und entbehrt jeglichen nennenswerten Gegenwartsbezug. Wird auch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" dieses Schicksal widerfahren?
Der oben genannte Amazon-Rezensent zieht als Quelle seines Wissens unter anderem das Grimmsche Wörterbuch in 33 Bänden heran und begründet damit eine durchaus schwer anzuzweifelnde These: "Welches Deutsch ist richtig, wenn nicht das, was von den Deutschen gebraucht wird?" Ziel des Wörterbuches der Gebrüder Grimm war nämlich, jeden einzelnen Begriff der deutschen Sprache anhand von Textnachweisen zu definieren. Ich behaupte mal, dass wir auch mit dieser Maxime alleine nicht glücklich würden. Es gilt, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen falschem Hochdeutsch und Freiheit des muttersprachlichen Dialekts zu finden. Wer auf der Straße andere kritisiert, Worte nicht nach dem hannoveraner-hochdeutschen Ideal auszusprechen, dem kann ich nur ein müdes Lächeln schenken. Hochdeutsch spielt nur da eine Rolle, wo das Verfasste oder Gesprochene an ein sehr großes Publikum geht oder in seriösem Rahmen gebraucht wird. Gewöhnlich sollte man sich auch des standardisierten Deutsch bedienen, wenn man sicher gehen will korrekt verstanden zu werden.
Wie man mit seiner Familie und seinen Freunden redet und schreibt, steht natürlich jedem frei. Bei einigen sprachlichen Vorkommnissen will ich allerdings jeden bitten zu überprüfen, ob er es nicht aus offensichtlichen Gründen für sinnvoll erachten würde, diese aus seinem Wortschatz zu entfernen:
Eine Steigerung von einzig trifft man zwar sogar bei Goethe an, doch auch was der geschrieben hat, muss nicht unbedingt immer sinnvoll sein. Was soll so eine Steigerung ausdrücken und außerdem: Wer benutzt diese Steigerung schon bewusst, wie es vermutlich Goethe tat?! Ich für meinen Teil finde "einzig(e)" auch einfacher auszusprechen als "einzigst(e)".[1]
Dieser doppelte Perfekt findet meiner Erfahrung nach hauptsächlich als Ersatz für das Plusquamperfekt Verwendung. Wäre "ich hatte geschrieben" nicht deutlich kürzer und vor allem auch um einiges eleganter?
Scheinbar im Österreichischen Deutsch sogar korrekt ist es jedoch nicht im Duden zu finden. Meiner Meinung nach wieder viel schwerer auszusprechen als das kürzere und korrekte "anders".
Aufgrund besserer Verständlichkeit ist es sinnvoll, sich hier mal die richtige Schreibweise anzutrainieren.
Das Englisch setzt im Genitiv oft ein Apostroph vors "s". Im Deutschen ist das nicht der Fall und schon gar nicht bei der Pluralbildung! Ohne hat man übrigens ein Zeichen weniger zu schreiben.[2]