Die ungeklärte Aussprache von Edvard Munch

Am norwegischen Maler Edvard Munch ist so Einiges interessant. Er gehörte zu den Künstlern, die um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert maßgeblich den Weg über den Expressionismus in die Moderne bereiteten. Es gibt überdies vielleicht keinen anderen norwegischen Maler, der es zu solcher internationaler Bekanntheit gebracht hat. Aus aktuellem Anlass interessierte ich mich allerdings nicht für das Schaffen von Munch, sondern für seinen ungewöhnlichen Familiennamen.

Wenn man wissen will, wie man einen bestimmten Namen auszusprechen hat, ist ein wunderbarer Anhaltspunkt, Radio- und Fernsehsendung zu der betreffenden Persönlichkeit zu hören. Insbesondere mit der zunehmenden Digitalisierung hat man über das Internet guten Zugriff auf solche Sendungen. Und auch bei Edvard Munch fand sich natürlich schnell der ein oder andere Medienbeitrag.

In den deutschen Medien (unter anderem Radio Bremen [1][2], ARD [3]) sprach man den Namen recht überzeugend /munk/ aus. Das bestätigte auch der Vortrag eines Kunstexperten [4]. In einem Arte-Beitrag [5] sprach sogar ein Franzose den Namen so aus.

Was mich daran verblüffte, war die Tatsache, dass die Aussprache im Allgemeinen nicht so eindeutig geklärt zu sein schien. Auf das auslautende /k/ hatte man sich anscheinend einigen können. Wenig befriedigend sind aber die Informationen zum zentralen "u"-Laut in Munch. Die Lautschriften, die man im Internet zu diesem Namen findet, enthalten mal ein /ʉ/ (etwas zwischen deutschem ü und u), mal ein /u/ oder /ʊ/ (beides nah am deutschen u).

In Sprachführern und Sprachlehrgängen des Norwegischen findet man gewöhnlich die Grundregel, dass "u" wie das deutsche "ü" auszusprechen sei (etwa [6]). Und tatsächlich fand ich eine norwegische Radiosendung über Edvard Munch, in der sein Name mehrmals (und von zwei unterschiedlichen Personen) nach dieser Regel ausgesprochen wurde [7]. Schenkt man diesen norwegischen Quellen Glauben, so lautet die Aussprache von Munch also: /münk/ wie in "Pünktchen".

Bezeichnend ist in dieser Kontroverse allerdings, dass das Norwegische keine einheitliche Sprache ist. Heute noch gibt es zwei offiziell anerkannte Dialekte (oder Varietäten) - für beide existieren Wikipedia-Seiten: Bokmål (historische Bezeichnung Riksmål) und Nynorsk (historisch Landsmål). Inoffiziell existieren sogar noch zwei zusätzliche, konservativere Dialekte, nämlich Riksmål und Høgnorsk.
Schnell fällt zudem auf, dass das "ch" in der (modernen) norwegischen Sprache eigentlich überhaupt keinen Platz hat. (Dennoch weist nichts daraufhin, dass Munch ausländische Vorfahren gehabt haben könnte.) Manches deutet also darauf hin, dass mindestens die historische Aussprache des Namens "Munch" nicht unbedingt mit der Aussprache moderner Muttersprachler übereinstimmen muss.

Am Ende bleibt das versöhnende Ergebnis wohl, dass man Munch als Deutscher oder allgemein als Ausländer mit einiger Berechtigung als /munk/ aussprechen kann. Wer auf eine Aussprache als /münk/ besteht, steht damit international ziemlich alleine da, wird sich aber immerhin auf die Sprachkompetenz der einiger Muttersprachler berufen können.

  1. radiobremen.de/kult...llungen/munch102.html
  2. radiobremen.de/nord...audio71540-popup.html
  3. tagesschau.vo.llnwd...13-2302-1701.webm.ogv
  4. polytechnische.de/u...d-pierre-bonnard.aspx
  5. videos.arte.tv/de/v...e_schrei-4155454.html
  6. wikitravel.org/de/S...ch_bokmaal#Aussprache
  7. nrk.no/nett-tv/klipp/70364
10. November 2011 - Tags: Wissen Sprachen Kunst