tovotu

29. Dezember 2009
Drachen-Konferenz in der deutschen Hauptstadt

Zwischen den Jahren füllt sich das Berlin Congress Centrum sowie einige Berliner Turnhallen mit Menschenmassen ungewöhnlicher Art. Seit dem 27. Dezember strömen aus aller Welt Technik- und Computerbegeisterte auf die alljährliche Gesamtkonferenz des Chaos Computer Clubs (CCC) namens Chaos Communication Congress [1].

Der CCC wird bisweilen als Hacker-Verein bezeichnet. Es handelt sich um eine Vereinigung von Menschen, die sich um sicherheitstechnische und ideologische Probleme der modernen Welt Gedanken machen. Ihre Gedanken äußern sie häufig lautstark in den Medien und vor der Politik. Der CCC hat im vergangenen Jahr Begriffe wie "Stasi 2.0" und "Zensursula" geprägt, die in der so genannten Netzgemeinde großen Gesprächsbedarf weckten.

Ich war also dabei, als sich jener Verein dieses Jahr zum 26. Mal in Berlin versammelte und zu diesem Zwecke Interessierte aus aller Welt einlud. Von dem viertägigen Kongress erlebte ich jedoch nur den ersten Tag mit: Mit Übernachtung und den einigermaßen hohen Eintrittsgeldern konnte ich nur auf die Art im finanziellen Rahmen bleiben. Ursprünglich wollte ich auch am zweiten Tag teilnehmen, musste aber feststellen, dass bereits alle Tagestickets ausverkauft waren, als ich nach Mittag am Veranstaltungsort auftauchte.
Die Zugfahrt hin und zurück war übrigens dermaßen verworren, dass sie einen eigenen Artikel einnehmen könnte. Darauf, wie auch auf Unterbringung und das Berliner Rahmenprogramm, will ich an dieser Stelle nicht eingehen.

Das Kongressprogramm bestand vorrangig aus Vorträgen, die sich grob zusammengefasst um Gesellschaft, Kultur und Technik drehten. Die Dozenten waren meistens privat motiviert, bisweilen gab es aber sogar Mitglieder der Leitung internationaler Software-Projekte. Dementsprechend wurden Vorträge ebenso häufig auf mehr oder weniger gutem Englisch wie auf Deutsch gehalten. Ebenso durchwachsen wie die behandelten Themen war auch die Qualität der Vorträge. Die drei geräumigen Vortragssäle waren jedoch stets zum Überlaufen gefüllt, sodass das Personal vom Haus seine Not damit hatte, Brandschutzbestimmungen wie Fluchtkorridore zu wahren.

Besondere Begeisterung brachte das Publikum gewöhnlich vor allem für politisch-ideologische Themen mit, wo sie auch gerne mal in fanatisch anmutende Beifallsstürme ausbrachen, wenn beispielsweise die Leitung des WikiLeaks-Projektes ihre Pläne für die Durchbringung eines speziellen Gesetzes in Island offenlegte [2].

Neben den Vorträgen gab es einige Stände an denen Bücher, Accessoirs und technische Bausätze verkauft wurden. Außerdem fanden zahlreiche vor allem inoffizielle Workshops statt und einige Bastler stellten ihre Roboter, Mikrokopter, Leuchtdioden-Bausätze und Computerexperimente vor. Es gab sogar eine Spielecke für Kleinkinder und natürlich war für das leibliche Wohl gesorgt.
Zu essen gab es dabei alles, was einfach zuzubereiten ist und in den Haushalt eines typischen Computer-Liebhabers gehört: Chili con Carne, Pizza, Sandwiches. Neben den üblichen Getränken fiel ein besonderes Szene-Getränk auf: "Club-Mate". Es handelt sich um einen Eistee aus dem lateinamerikanischen Mate-Tee, der mit reichlich Koffein, Zucker und Kohlensäure versetzt wurde. Geschmacklich erinnert es zunächst an Sprudelwasser, das mit Zucker und Zigarettenkippen versetzt wurde. Hat man sich einmal daran gewöhnt, kann man sich aber auch einbilden, es handle sich um Eistee mit Kohlensäure.

Meine Begleitperson und ich passten im Grunde ziemlich schlecht in die Zielgruppe der Veranstaltung hinein: Uns fehlte die Technikversiertheit, der ideologische Fanatismus und schließlich auch das richtige Alter. Das Altersmittel befand sich nämlich wohl eher bei Ende zwanzig.
Natürlich führte jeder Besucher außer uns einen Laptop mit, bisweilen waren iPhone-Benutzer vertreten. Erstaunlich war der hohe Anteil an Apple-Laptops: Aus den Vorträgen ging nämlich hervor, dass man dem Kapitalismus zu frönen eigentlich eher nicht geneigt war.
Dass wir nicht zur Szene gehörten, zeigte sich auch bisweilen an der Unkenntnis einiger Begriffe aus dem Fachjargon. Besonders beliebt schien es zum Beispiel, Papier mit "toter Baum" zu bezeichnen.
Befremdlich mutete es an, mitten im Aufenthaltsraum unter all den plaudernden, trinkenden, essenden und bastelnden Menschen einen zu sehen, der sich mit dem Laptop Porno-Filme anschaute. Was das für einen tieferen Sinn hatte, blieb uns verborgen.

Zusammenfassend stellt sich der 26C3 sicherlich als ein großes Event im Terminkalender eines Hackers dar. Für uns als Außenstehende ist das allerdings nicht in jeder Hinsicht gleich einsichtig. Aus objektiver Sicht lässt sich sagen, dass es sich im Grunde um eine Versammlung von Liebhabern handelt: So ist einerseits die Qualität mancher Vorträge eher zum Abgewöhnen. Andererseits werden bisweilen Themen ausgerollt, die eher jenen grundlagenforschenden und realitätsfernen Charakter haben, den man oft bei Dilettanten feststellt, den ich damit aber nicht unbedingt negativ bewerten will.

  1. events.ccc.de/congress/2009/wiki/Welcome
  2. golem.de/0912/72094.html

Kommentare

Tassilo 30. Dezember 2009

Soulkitchen und die Lasagne waren insgeheim meine Highlights! ☺

Administrator 29. Dezember 2009

Es geht dabei insbesondere um das linke® Bestreben, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verkleinern. Dazu trägt es nicht gerade bei, wenn Produkte auf dem Markt einen solchen herausragenden (ideologisch-marketing-technischen) Status haben, dass sie preislich für das Proletariat® unerschwinglich werden.

Moritz 29. Dezember 2009

Hört sich echt spannend an dein Trip zum CCC-Konkress. Aber was haben denn Apple-Computer mit Kapitalismus zu tun? Ist es weniger kapitalistisch einen Toshiba-PC zu besitzen?
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