21. Oktober 2010
Nicht bloß eine schöne Alliteration: Musik mit Mathematik
Bonn ist Deutschlands Hochburg der Mathematik - gewissermaßen sogar offiziell: Die Exzellenzinitiative des Bundes hat hier vor zwei Jahren den einzigen Exzellenzcluster im Fachbereich Mathematik genehmigt. Das heißt zum einen, dass das Bonner Hausdorff Research Institute for Mathematics (HIM) finanziell kräftig zugespielt bekommt. Aber zum anderen bedeutet das auch, dass die besten Professoren Deutschlands und viele namhafte Forscher aus anderen Ländern an diesem Ort versammelt werden.
Die Stadt Bonn kam da auf die hervorragende Idee, diese geballte Expertise im Fach Mathematik mit der Bevölkerung zu teilen. (Zumal Mathematik als eines der MINT-Fächer momentan sehr um die Gunst der Öffentlichkeit buhlt.) Man richtete also vor einiger Zeit den halbjährig stattfindenden "Mathematischen Salon" im HIM ein [1]. Dabei handelt es sich um eine Abendveranstaltung in den wunderschönen Räumlichkeiten des HIM mit freiem Eintritt. Das Programm besteht jeweils aus einem wissenschaftlichen Vortrag umrahmt von zwei musikalischen Darbietungen.
Ich war vergangene Woche dort und kann von einem aufregenden Abend berichten. In den kleinen, dafür aber umso schickeren Räumlichkeiten waren alle Sitzplätze belegt, als ein Herr mit weißem Bart die Stimme für einige Begrüßungsworte erhob. Auf dem gedruckten Programm konnte man etwas über das Thema des Abends und die Vortragenden erfahren und das war höchst interessant.
Bemerkenswert ist zunächst, dass es sich bei den beiden Musikern um Profis handelte. Der Pianist, Rob Schneiderman aus Boston, Massachusetts, [2] hatte bis Anfang dreißig eine musikalische Laufbahn verfolgt, bevor er sich entschloss, seine Liebe zur Mathematik in einem Studium derselben auszudrücken. Er trägt inzwischen einen Doktortitel in diesem Fach und forscht momentan am hiesigen Max-Planck-Institut für Mathematik. Zusammen mit dem Kontrabass-Spieler John Goldsby [3], der seit 1994 Solo-Bassist in der Big Band des Westdeutschen Rundfunks ist, spielte er groovige Improvisationen auf unterschiedliche Stücke von Jazzgrößen des 20. Jahrhunderts.
Nur thematisch war der musikalische Beitrag Rahmenprogramm. Qualität und zeitlicher Umfang setzten Musik und wissenschaftlichen Vortrag mindestens auf eine Stufe. Den Essay mit dem Titel "Alles ohne Erfahrung? Über Freude und Leid des Apriorismus" trug der studierte Mathematiker, Philosoph und Altphilologe Ulrich Nortmann vor. Er diskutierte darin den Charakter der mathematischen Forschung insbesondere in Hinblick auf die scheinbar völlig fehlende Empirie.
Den musikalischen und essayistischen Vorträgen folgte der laut der Moderation "wichtigste" Teil des Abends: die freie Diskussionsrunde. Der Moderator hatte abschließend noch in die Runde gefragt, wer von den versammelten Gästen denn nun als "Mathematiker" zu bezeichnen sei, und - man glaubt es kaum - nur weniger als die Hälfte zeigten auf.
Die freien Diskussionen fanden in den vielen niedlichen Räumlichkeiten des HIM statt, wo überall Stehtische platziert worden waren, an denen man zum Gespräch kostenlos Rotwein, Wasser und Laugengebäck zu sich nehmen durfte.
Ich hatte nur noch ein sehr interessantes Gespräch mit einem Unternehmensberater - ehemaliger Mathematiker und anschließend Chemiker -, verließ die Gesellschaft aber schon früh; zu einem Zeitpunkt, da die meisten Diskussionen noch in vollem Gange waren. Ich hatte es nicht leicht, Anschluss zu finden: Immerhin gab es kaum Gäste unter 35 mal abgesehen von den oft noch sehr jungen Kindern einiger Anwesenden.
Eines ist aber gewiss: Ich werde mir den nächsten "Mathematischen Salon" (im Mai) nicht entgehen und es mir nicht nehmen lassen, ihn wärmstes allen zu empfehlen, die ein bisschen Sinn für Mathematik, Philosophie und natürlich Musik haben.