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22. September 2014
Wandertour in Island 2014 - Laugavegur

Dieser Artikel gehört zu einer Reihe von Artikeln über eine Wandertour, die ich mit vier Freunden im August 2014 im isländischen Hochland gemacht habe. Eine Übersicht bietet der einführende Artikel zum Thema.

Dank der vielen schönen Fotos, die zwei von uns während der Wanderung angefertigt hatten, und nicht zuletzt dank des Reisetagebuchs eines fleißigen Teammitglieds war ich noch einige Wochen nach der Reise imstande, den folgenden Reisebericht zusammenzufantasieren.

Ein Tag in Landmannalaugar

Nach einer Nacht in Reykjavik brachte uns ein Bus von Reykjavik Excursions nach Landmannalaugar. Es war ein von blauem Himmel gesegneter Dienstagmorgen und das Wetter sollte uns auch in den kommenden Tagen nicht enttäuschen. Von den vier Stunden Busfahrt verfiel der größte Teil auf die Hochlandpisten. Hier wurden wir bei gemächlichem Tempo ordentlich durchgerüttelt, sodass wir den Reisebegleiter von Reykjavik Excursions, der das Panorama um uns herum mit einigem Hintergrundwissen ergänzen wollte, kaum verstanden. Obwohl der Bus nicht gerade wie ein Panzer auf uns wirkte, schienen ihm die holprigen Pisten und teilweise tiefen Flußquerungen nichts anhaben zu können.

Gerade zur Mittagszeit angekommen schlugen wir in Landmannalaugar unsere Zelte auf und nahmen eine kleine Mahlzeit zu uns, um den Nachmittag noch mit einer schönen Wanderung über den nahe gelegene Bergrücken Suðurnámur verbringen zu können. Hier, auf zeitweise über 800 Metern, erlebten wir zum ersten Mal die Bedingungen, die für das Wandern in dieser Gegend charakteristisch sind: kräftige Windböen, die einem das Gleichgewicht rauben, dabei steile und rutschige Ab- und Aufstiege, eine über Moos und niedrige Gräser nicht hinausgehende Vegetation und (dadurch bedingt) völlige Schutzlosigkeit gegen die Sonne. Unbezahlbar dagegen waren die spektakulären Rundblicke in die farbenfrohe Umgebung, die sich überall und in alle Richtungen vor den Wanderern ausbreiteten. Zurück im Lager beschlossen wir den Tag mit einem Bad in den berühmten heißen Quellen von Landmannalaugar und einer warmen Mahlzeit.

Hrafntinnusker

Trotz des klaren und sonnigen Wetters, das uns dieser Tage vergönnt war, ließ uns morgens ein kalter Wind lange in den warmen Schlafsäcken verharren. Zur ersten Etappe nach Hrafntinnusker brachen wir also erst spät auf. Die Hüttenwartin wies uns vorher noch darauf hin, dass wir uns wegen der momentan erhöhten vulkanischen Aktivität bei jeder Hütte an- und abmelden sollten, zu der wir kommen würden. Eine unmittelbare Gefahr bestünde nicht, hieß es allerdings gleichzeitig.

Nach kurzer Strecke über die erkaltete Lavazunge Laugahraun kamen wir an einem dampfenden Loch vorbei. Ob es sich um eine Fumarole oder eine Solfatare handelte und ob dahinter Bier brauende Füchse oder Reifen verbrennende Isländer steckten, vermochten wir allerdings nicht auszumachen. Nach einem Aufstieg über einen zerklüfteten Hang mit herrlichen Blicken zurück erreichten wir eine eher triste Hochebene. Zwischendurch kamen wir an einer sprudelnden heißen Quelle vorbei, bevor wir nach der Durchquerung eines Schneefeldes das Etappenziel, die Hütte auf dem über 1000 Meter hohen Berg Hrafntinnusker, erreichten. Hier erfuhren wir übrigens auch, dass die Initiative mit den Wandererlisten wegen des Vulkanausbruchs wieder eingestellt wurde - die Gefahr war wohl doch nicht groß genug.

Die meisten von uns klagten bereits jetzt über Gelenkschmerzen und ähnliche Wehwehchen. Nur zwei wagten noch einen Ausflug zu den nahe gelegenen Eishöhlen. Dabei ergab sich außerdem eine grandiose Aussicht in ein großes Tal mit unzähligen Dampfsäulen, konnten die zwei berichten. In der darauffolgenden Nacht sanken die Temperaturen auf den Tiefpunkt unserer Wanderung (-6°C), sodass sich ein kurzer abendlicher Regenschauer über Nacht auf den Zelten in kleine Eisbröckchen verwandelt hatte. Unter diesen Umständen konnte sich nur einer für einen Morgenspaziergang auf einen nahe gelegenen Gipfel mit spektakulären Aussichten in alle Richtungen begeistern.

Der See Alftavatn

Nach der eisigen Nacht hatten wir zur Mittagszeit, als wir die Etappe nach Alftavatn in Angriff nahmen, erstaunlicherweise so angenehme Temperaturen, dass einige von uns erstmals in T-Shirt und kurzer Hose wanderten. Vor dem Abstieg zum See Alftavatn machten wir Rast auf einem Gipfel am Wegesrand, von dem sich eine schöne Sicht auf das vor uns liegende riesige grüne Tal mit dem See Alftavatn und einzelnen kleineren kegelförmigen Bergen bot.

Bei der Hütte am Alftavatn sollte der erste Nachschub mit Nahrungsmitteln auf uns warten. Von der Hüttenwartin angewiesen suchten wir danach in den "black boxes" neben der Hütte. Leider hatte zufällig gerade dort ein Jeep-Reisender seinen privaten Proviant in schwarzen Kisten abgestellt, die wir ausführlich inspizierten. Der muskulöse Mann brachte recht unmissverständlich sein Missfallen an unserem Vorgehen zum Ausdruck, zeigte sich nach Aufklärung des Missverständnisses aber sogar bereit, bei der Auffindung der richtigen "black boxes" zu helfen. Unsere Nahrungsmittel hatten die kleine Reise gut überstanden, der Müllsack, in den wir sie eingepackt hatten, allerdings nicht - beim nächsten Mal lieber im Karton verschicken.

Für den folgenden Tag war keine Tagesetappe geplant. Stattdessen statteten wir am Vormittag der fünf Kilometer entfernten Schlucht Torfahlaup einen Besuch ab - ein fantastischer Anblick, auch wenn die Geschichte von dem Jüngling, der über diese Schlucht gesprungen sein soll, angesichts der Ausmaße wenig glaubwürdig erschien. Nach einem kurzen Bad im eiskalten Alftavatn - angenehme Außentemperaturen samt Sonne und vorübergehender Windstille ließen dies zu - entschieden wir uns für einen kleinen Umzug: Wir nahmen die fünf Kilometer zur Hütte Hvanngil, die eigentlich zur nächsten Etappe gehörten, vorweg und schlugen dort unsere Zelte auf. Der Zeltplatz hier war freilich nicht so verträumt wie der direkt am See, aber immerhin hatten wir hier deutlich weniger (wenn auch lautere) Nachbarn. Außerdem bot sich vor dem Abendessen für einen Teil von uns die Gelegenheit, vom benachbarten Hausberg einen Blick auf die beiden Gletscher zu werfen, zwischen denen wir am Ende unserer Tour durchgehen würden.

Emstrur

Nach einem kurzen Morgenspaziergang nahmen wir an diesem fünften Tag unserer Tour die dritte Etappe des Laugavegur in Angriff. Der Weg führte durch wüstes Land unterbrochen von Gletscherflüssen, von denen wir aber glücklicherweise nur einen furten mussten. Bei einem anderen (überbrückten) Gletscherfluss sahen wir einen hübschen Wasserfall. Der Blick nach vorn auf die beiden Gletscher und nach hinten auf das Bergmassiv, das wir an den ersten beiden Tagen durchquert hatten, tröstete ein Stück weit über den sehr öden Verlauf dieser Etappe hinweg.

In Emstrur angekommen machten wir einen kurzen Ausflug zum nahe gelegenen "Canyon des Waldflusses", der in seiner Farbenvielfalt sehr gefiel, seinem Namen aber angesichts keines einzigen Baumes weit und breit nicht gerecht wurde. An diesem Abend sah es zum ersten Mal so aus, als würde sich das Wetter verschlechtern. Zunächst einmal stand aber ohnehin eine Hüttenübernachtung bevor und so konnten wir uns bedenkenlos schlafen legen.

Die Birkenwälder von Þórsmörk

Durch den Hüttenaufenthalt schafften wir einen frühen Aufbruch - das hieß bei uns kurz nach neun. Uns stand die letzte (15 Kilometer lange) Etappe des Laugavegur bevor. Das Wetter war nun leider nicht mehr so gut, aber immerhin regnete es nicht. Auf dem Weg nach Þórsmörk (Wald des Thor) wurde die Landschaft zunehmend vegetationsreicher – zuerst nur höheres Gras, einige Blumen und Kleingewächs, dann Büsche und schließlich vereinzelte Birken, bis wir uns tatsächlich in einem regelrechten Wald aus kleinen Birken wiederfanden. Nach Tagen, an denen größere Moosflächen oft die einzigen Pflanzen gewesen waren, empfanden wir das als ungewöhnlich eindrucksvolle Abwechslung.

Wir schlugen unsere Zelte an der Hütte Langidalur auf, inspizierten am Abend aber noch den Hausberg (von dem aus wir wohl eine gute Aussicht gehabt hätten, wenn das Wetter besser gewesen wäre) und den benachbarten Campingplatz Husadalur, der sich als unangenehm touristisch und kommerzialisiert herausstellte - wir waren froh, nicht dort unser Lager aufgeschlagen zu haben.

Der siebte Tag unserer Tour sollte wieder einer ohne Etappe werden. Gegen halb zwölf machten wir uns zu einem Tagesausflug um den Gebirgszug Tindfjöll auf. Es war bewölkt – die inzwischen ganz nahen Gletscher waren leider wieder nicht zu sehen – ansonsten blieb das Wetter aber stabil. Einen Weg auf die Tindfjöll gab es nicht und wir wagten den Aufstieg querfeldein aus Gründen des Naturschutzes nicht. Stattdessen machten sich zwei von uns auf den beschwerlichen Weg zum 400 Meter höher gelegenen Rjúpnafell. Die Aussicht muss trotz des eher trüben Wetters sehr gut gewesen sein. Wir beschlossen den Tag mit einem unter diesen Umständen sehr leckeren Wackelpudding, den wir in einem Topf im Wasser eines nahen Baches hatten erkalten lassen.

Über den Fimmvörðuháls nach Skógar

Am Vorabend des vorletzten Tags war uns stabiles Wetter für den Vormittag und leichter Regen für den Nachmittag angekündigt worden. Die 800 Höhenmeter zum Fimmvörðuháls hatte der Hüttenwart trotz der dunklen Wolken, die zwischen den Gletschern hingen, für unproblematisch befunden. Wir brachen also bereits kurz nach acht auf. Das Wetter war zunächst passabel bei leichtem Nieselregen. Je höher wir aber kamen, umso nasser, nebliger und windiger wurde es. Allmählich entwickelte sich daraus ein ausgewachsener Sturm mit horizontal peitschenden Regelschwaden und üblen Sturmböen. Der Nebel war so dicht, dass wir die jeweils nächsten Markierungspfosten nicht mehr direkt ausmachen konnten. Gleichzeitig konnten wir in der ausgewaschenen Asche den Weg nicht mehr erkennen. Immerhin abgesichert durch ein intaktes GPS-Gerät ließen wir uns nicht entmutigen und fanden schließlich sicher zur Hütte Fimmvörðuskáli, wo uns ein sehr freundlicher Hüttenwart um die Mittagszeit mit Kaffee und sogar Waffeln empfing. Im Laufe des Nachmittags trafen immer mehr Wanderer in der Hütte ein, von denen viele gar nicht in dieser, sondern in der anderen, zwei Kilometer entfernten Hütte gebucht hatten. Aufgrund der katastrophalen Wetterlage, und weil sich wohl einige, die für die hiesige Hütte reserviert hatten, angesichts der Wetterlage gegen den Aufstieg entschieden hatten, wurden letztendlich doch alle 18 Gäste in der Hütte untergebracht.

Am nächsten Morgen, dem planmäßig letzten Tag unserer Tour, hatte sich der Sturm verzogen: Der Wind hatte deutlich nachgelassen, der Regen war verschwunden - geblieben war der Nebel, der sich im Laufe des Vormittags aber noch verziehen sollte. Um die verpassten Aussichtspunkte der letzten Etappe nachzuholen, liefen wir morgens zunächst zurück, um die Nebenkrater des 2010er Ausbruchs des Eyjafjallajökull zu besichtigen. Tatsächlich klarte es auf, kurz bevor wir den ersten Krater erreichten, und wir genossen eine gute Sicht nach Norden (von wo wir am Vortag gekommen waren). Der Vulkankrater selbst stellte sich als nicht übermäßig spektakulär heraus – stellenweise war die Erde warm und es wimmelte von roten Gesteinsbrocken, von glühender Lava war aber nichts zu sehen.

Schließlich machten wir uns an die letzte Etappe, entlang am Fluss Skogar dem Meer entgegen. Während der Weg zunächst noch über Vulkanasche, Schneefelder und Eishänge führte, dominierten schon bald grüne Wiesen mit Schafen. Der Fluss, der unmittelbar neben uns im Canyon floss, machte mit unzähligen kleineren und größeren Wasserfällen auf sich aufmerksam. Angesichts der neun hinter uns liegenden, überwiegend spektakulären Tage wirkte Skógar mit dem berühmten Wasserfall Skógafoss, das endgültige Ziel unserer Tour, in diesem Moment eher weniger imposant. Die Nähe der Zivilisation war an dieser Stelle eine sehr ernüchternde Beigabe. So blieb am Ende - wie üblich bei Wandertouren - doch nur der Weg das eigentliche Ziel.

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