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25. September 2014
Wandertour in Island 2014 - Reykjavik

Dieser Artikel gehört zu einer Reihe von Artikeln über eine Wandertour, die ich mit vier Freunden im August 2014 im isländischen Hochland gemacht habe. Eine Übersicht bietet der einführende Artikel zum Thema.

Nach unserer Wandertour hatten wir uns für vier Tage in einer Jugendherberge in Reykjavik einquartiert, bevor es zurück nach Deutschland gehen sollte. In dieser Zeit wollten wir eine befreundete Isländerin treffen, mit ihr den berühmten Golden Circle erkunden und die Hauptstadt und damit das zivilisierte Island kennenlernen.

Stadtbild und Kultur

Das Wetter in Reykjavik war etwas weniger sonnig als zu Anfang unserer Reise, aber weitgehend trocken und mild. Die Innenstadt konnten wir unter diesen Umständen gut zu Fuß erkunden und darauf beschränkten wir uns auch zunächst: Wir streunten durch die Straßen und statteten den etwas markanteren Bauwerken einen Besuch ab. Auf dem Programm standen dabei die Haupteinkaufsstraße Laugavegur, der Alte Hafen mit dem Konzerthaus Harpa, die alles überragende Hallgrímskirkja mit dem romantischen Standbild Leif Erikssons, dem wohl ersten Europäer in Nordamerika, das Rathaus mit dem um den See Tjörnin angelegten Park und Alþingi, das Parlament Islands. Am nächsten Tag statteten wir dem Nationalmuseum einen Besuch ab und sahen bei der Gelegenheit die Nationalbibliothek und die Universität.

Nicht nur das isländische Wetter ist für einen Mitteleuropäer mehr als ungewohnt, sondern auch die Kultur und Architektur Islands lassen einige typische europäische Charakteristika vermissen. Natürlich hat Reykjavik nur ca. 120.000 Einwohner und wir erwarteten daher auch keine Wolkenkratzer oder Super-Einkaufszentren. Es war aber doch auffällig, wie wenige große oder prunkvolle Gebäude oder Standbilder und Monumente wir zu sehen bekamen. Es handelt sich immerhin um eine Hauptstadt und es gibt durchaus Städte vergleichbarer Größe mit prunkvollen Gebäuden und deutlich einprägsamerem Stadtbild (wie etwa Würzburg). Man muss sich nach einem ersten Stadtrundgang eingestehen, dass eigentlich nur das Konzerthaus Harpa und die Hallgrímskirkja im Gedächtnis geblieben sind. Was man in Reykjavik als Altstadt bezeichnet, wirkt nicht wirklich alt und ist wenig eingängig. Die Uferpromenade ist eher als kleiner gemütlicher Fußweg angelegt, leider flankiert von einer breiten und viel befahrenen Hauptstraße, aber doch im Wesentlichen zum Joggen und Verweilen einladend. Der Park am Rathaus wirkt, als sei er so groß wie nötig und so klein wie möglich. Einen ausladenden zentralen Marktplatz sucht man vergeblich, die Haupteinkaufsstraße entpuppt sich als langgezogene Gasse mit niedrigen Häusern. Das graue, klotzige Universitätshauptgebäude erinnert an einen kommunistischen Prachtbau.

Diese Bescheidenheit findet im touristischen Streben eines Mitteleuropäers wenig Anklang. Ich muss aber eingestehen, dass mir diese Beschränkung auf Zweckarchitektur sowie der sehr gemäßigte Historismus von der Idee her äußerst sympathisch sind. Wo wir heute angesichts einer stetig wachsenden Weltbevölkerung von über 7 Milliarden Menschen mit Umwelt- und Ernährungsproblemen irrsinnigen Ausmaßes zu tun haben, scheint die isländische Art eine Oase der Vernunft darzustellen. Dieses Land, dessen natürliche Energiequellen unerschöpflich scheinen, legt eine Sparsamkeit und Anspruchslosigkeit an den Tag, die seinesgleichen sucht. Den Schwanzvergleich pompöser Schlösser, heroischer Standbilder, gigantischer Wolkenkratzer und futuristischer Experimentalbauwerke macht Island nicht mit. Vermutlich ist es wirtschaftlich dazu nicht in der Lage. Aber es gibt auch keine bemitleidenswerten Versuche, diese Lücke zu stopfen - wie in manchen anderen Regionen dieser Welt. Man lebt nicht über seine Verhältnisse in Island. Außerdem werden keine künstlichen Helden geschaffen und große Meister verehrt: Es gibt in Island keine wirklich großen Staatsmänner, Generäle, Künstler oder Freiheitskämpfer.

Isländisches National- und Traditionsbewusstsein gibt es trotzdem - und nicht zu knapp. Man ist schon sehr stolz auf sein Wikinger-Erbe. Manche Familien meinen ihre Linie bis auf die ersten norwegischen Siedler zurückführen zu können. Und wer die isländische Staatsbürgerschaft annehmen will, muss einen (zusätzlichen) isländischen Vornamen annehmen. Man kauft lieber das Gemüse aus den einheimischen Gewächshäusern zu sündhaft hohen Preisen, als dass man auf viel billigere Importprodukte zurückgreift (die im Supermarkt oft direkt daneben liegen). Dabei wirken die Isländer aber sehr friedlich und offenherzig - auch darauf sind sie stolz, wenn sie etwa von der Nationalversammlung bei Þingvellir im Jahre 1000 sprechen, auf der man sich friedlich auf eine Christianisierung unter weitgehender Toleranz heidnischer Kulte geeinigt hatte.

Infrastruktur und Einkaufen

Man kommt mit dem Bus wohl überall hin in Reykjavik - davon haben wir aber nie Gebrauch gemacht. Sonstigen öffentlichen Nahverkehr gibt es nicht (es gibt in ganz Island nicht mal eine Bahnstrecke). Auf den Straßen sind viele PKW unterwegs. Ich würde mir wünschen, dass die in Zukunft elektrisch betrieben werden - gerade angesichts der ausreichenden Energieversorgung über Erdwärme und Wasserkraft. Aber das scheitert wohl momentan vor allem am mageren Elektro-Fuhrpark der großen Autobauer.

Wie eben bereits angedeutet sind isländische Lebensmittel sehr teuer. Gemüse und Obst werden aufgrund des rauen Klimas natürlich zum größten Teil in Gewächshäusern angebaut. Das klingt nach einem ziemlichen Aufwand - ist aber zumindest energetisch kein riesiger Unsinn, wenn man sich den Wärmeüberfluss dieser Insel vor Augen hält. Trotzdem bleibt es natürlich kostspielig und alles andere als wirtschaftlich. Alles, was nach Island importiert wird, ist übrigens nicht viel teurer als in Mitteleuropa, teilweise unter dem nordeuropäischen Niveau (Norwegen, Schweden). Und man sieht im Supermarkt durchaus auch neben den isländischen Paprikas für acht Euro pro Kilo die spanischen Paprikas für weniger als ein Drittel des Preises. Als wir eines Abends mit der befreundeten Isländerin etwas Essen gehen wollten und unsere Studenten-Geldbeutel vor den gigantischen Preisen zitterten, wichen wir auf Pizza eines großen amerikanischen Lieferdienstes aus. Auch gastronomisch kommt man also mit den importierten Konzepten am günstigsten weg.

Auf der Suche nach einer günstigen und ausgefallenen Einkaufsmöglichkeit statteten wir dem Flohmarkt Kolaportið am Alten Hafen einen Besuch ab. Allerdings umsonst: es gab viel wertlosen importierten Ramsch und kaum nichtkommerzielle Anbieter von Gebrauchtwaren. Wo handgemacht und traditionell draufstand musste man Massenfabrikate zu überteuerten Preisen befürchten. Handgemachte Produkte aus echter isländischer Schafwolle fanden wir dagegen in dem kleinen Ladengeschäft der Handknitting Association of Island - und da schienen auch die Preise angemessener.

Alkoholhaltige Getränke sind übrigens in Island (wie etwa in Norwegen, Schweden oder Finnland) aufgrund einer besonders gut gemeinten Alkoholsteuer sehr teuer. Das merkt man bereits beim Bier sehr stark, bei Hochprozentigem wird einem bereits bei den Preisschildern schwindelig.

Der Golden Circle

Die Stätte der historischen Volksversammlungen Þingvellir (gleichzeitig der von Vulkanismus geprägte Ort, an dem die tektonischen Platten von Europa und Nordamerika auseinanderdriften), das Geothermalgebiet Haukadalur mit dem Geysir Strokkur und der "goldene" Wasserfall Gullfoss bilden den so genannten Gullni hringurinn (Goldener Ring oder touristisch-englisch: Golden Circle). Am vorletzten Tag unseres Aufenthalts hatten wir Gelegenheit, auch diese Sehenswürdigkeiten in einer etwa achtstündigen Rundfahrt kennenzulernen. Leider wirkten diese Attraktionen touristisch sehr ausgeschlachtet und es war auch tatsächlich ein reger Touristenverkehr zu beobachten. Es bot sich ein zivilisierterer Eindruck von den isländischen Naturgewalten als man ihn im Hochland am Laugavegur bekommt - obwohl wir dort natürlich auch viele Touristen angetroffen hatten. Trotzdem würde ich sagen, dass mindestens Þingvellir auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Die historische und gleichzeitig geologische Bedeutung dieses Ortes ist wirklich fantastisch.

Weitere Sehenswürdigkeiten

Eine nette Erfahrung war ein Besuch der Eisdiele Ísbúð Vesturbæjar, die leider zu Fuß vom Stadtzentrum nicht gut zu erreichen ist. Dafür scheint dies wirklich ein Ort zu sein, der von isländischen Familien gerne und regelmäßig aufgesucht wird. Man fährt mit dem Auto vor, springt schnell in den kleinen Laden, jeder sucht sich ein Eis aus und macht sich auf der Fahrt nach Hause und zurück im warmen Heim über die Süßigkeit her.

Mindestens genauso typisch für die Freizeitaktivitäten der Isländer scheint mir das Freibad Laugardalslaug zu sein. Für ein günstiges Eintrittsgeld erhält man hier Zugang zu einigen ganzjährig geöffneten und zweckmäßig beheizten Außenbecken: acht 50-Meter-Bahnen auf Trainingstemperatur, ein Nichtschwimmerbecken mit Riesenrutsche (mittellange Röhrenrutsche mit stockfinstren und beleuchteten Elementen) und ganz wichtig: viele kleinere Becken, jeweils temperiert auf 38 bis 44 Grad, in denen man sich entspannen und nette Gespräche führen kann.

Ausgelassen haben wir den Zoo von Reykjavik sowie den Warmwasserspeicher Perlan, der mit architektonischen und touristischen Qualitäten (künstlicher Geysir, Saga-Museum, Aussichtsplatform mit Drehrestaurant) um Besucher buhlt. Dazu kommen zahlreiche kleinere Museen und Galerien, die wir aufgrund anderer Prioritäten ausgelassen hatten.

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