10. Juli 2008
Wozu braucht man eigentlich Altgriechisch?
Noch mehr als zum Beispiel bei Latein assoziiert man mit Altgriechisch eine ausgestorbene Sprache. So ist schließlich schon im Namen selbst das Wort "alt" enthalten und dementsprechend erscheint das Erlernen dieser Sprachen vielen als ein nutzloses Unterfangen. Man sagt, die Sprache spreche heute niemand mehr und deswegen könne man sie auch nirgendwo anwenden.
Diese Aussage stellt sich bei näherer Betrachtung als purer Pessimismus heraus. Wieso formuliert man es nicht positiv und sagt: "Altgriechisch wurde bis vor weniger als 2000 Jahren noch gesprochen und vor allem geschrieben." Jetzt wird nämlich deutlich, dass Altgriechisch nur ebenso tot ist wie unsere Geschichte. Und für Geschichte interessieren sich deutlich mehr Menschen als für Altgriechisch.
Wer an dieser Stelle behauptet, man könne diese Fächer nicht miteinander vergleichen, da unsere Geschichte bis heute einen fortgesetzten Prozess darstelle, bei dem alle heutigen Umstände aus früheren Zuständen entstanden seien, sodass die Geschichte durchaus noch Bezug zur Gegenwart behält, der ignoriert völlig, dass dies auf Altgriechisch doch genauso sehr zutrifft. Linguistisch gesehen besteht genauso viel Verwandtschaft zwischen uns und den Altgriechen wie kulturell und politisch. Woher kommt denn schon alleine das Wort Politik? Ich denke, es ist klar geworden, dass das Erlernen der altgriechischen Sprache durchaus seine Berechtigung hat. Das heißt natürlich nicht, dass jeder dazu aufgefordert ist, diese Sprache tatsächlich zu lernen.
Betrachten wir nun noch einige konkrete Beispiele für den Einfluss und die Nützlichkeit dieser Sprache. Das griechische Alphabet hat bis heute in einigen Nischen überlebt. Natürlich kommt schon das Wort Alphabet von den ersten beiden griechischen Buchstaben Alpha und Beta. Vielmehr ist es aber zum Beispiel in der Mathematik immer noch üblich, nicht nur Winkel sondern auch viele andere Größen mit griechischen Buchstaben zu bezeichnen. Und noch auffälliger sind die Bezeichnungen zahlreicher physikalischer Größen und Konstanten mit solchen Buchstaben. Die restlichen Naturwissenschaften machen ebenfalls Gebrauch davon (z.B. Sigma- und Pi-Bindung in der Chemie).
Ganz konkret lässt sich sagen, dass die griechische Philosophie die erste bekannte europäische Philosophie war. Doch was Sokrates, Platon und Aristoteles dachten, ist auf Altgriechisch niedergeschrieben worden und da Sprache schon immer eine wichtige Position in der Philosophie einnahm, kann es neue Aspekte hervorbringen, diese Texte in der Originalsprache zu lesen. Das selbe trifft auf das Neue Testament der christlichen Bibel zu.
Hinzu kommen die vielen Fremd- und Fachwörter, die auf altgriechische Wortstämme zurückgeführt werden können. Wer Altgriechisch (und Latein) beherrscht, verändert seine Sichtweise auf diese Begriffe grundlegend. Ein Wort wie "Idiosynkrasie" wird von einer toten und isolierten Vokabel in den Augen eines Altphilologen zu einem lebendigen Terminus mit all seinen Ambivalenzen und seiner dreitausendjährigen Geschichte.
Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass Altgriechisch wirklich keine außerordentlich schwere Sprache ist. Zumindest für jemanden aus dem indogermanischen Sprachraum sollte sich das so verhalten. Wer ein bisschen versiert in Grammatik ist und schon mit Latein zurechtkam, wird mit Altgriechisch keine Problem haben. Mein Eindruck ist sogar, dass das Vokabelnlernen ganz besonders leicht fällt, weil hier noch deutlich mehr Verwandtschaften zur deutschen Sprache bestehen als in Latein. Die Schrift lesen und eventuell auch schreiben zu lernen ist ein Aufwand von anfangs einer halben Stunde und schließlich ein paar Tagen Eingewöhnungszeit.
Wenn jetzt jemand interessiert daran sein sollte, sich die Sprache mal anzugucken, steht kostenlos und unverbindlich E. Gottweins Online-Sprachkurs zur Verfügung. Viel Spaß damit!