tovotu

5. Mai 2009
Schlüssel? Kinderkram!

Am letzten Wochenende fand das alljährliche CdE-Gesamttreffen namens AkadeMai in Kirchheim bei Bad Hersfeld statt. Ich verbrachte dort zusammen mit über 400 anderen Menschen drei unterhaltsame, lehrreiche und entspannte Tage und Nächte.
Es wurden wie jedes Jahr unzählige spannende Kurse angeboten und wie jedes Jahr musste ich mich auf ein Thema festlegen. Die Wahl zwischen Philosophischem, Sprachlichem, Praktischem, Sportlichem, Lustigem und Naturwissenschaftlichem fiel natürlich schwer, aber am Ende gewann der Kurs "Schlösser öffnen ohne passenden Schlüssel" für mich das Rennen und man wies mir sogar tatsächlich einen Platz zu - im Gegensatz zu vielen anderen. Denn der Kurs hatte deutlich mehr Interessenten angelockt, als Plätze verfügbar waren.

Nun ist natürlich das Öffnen eines Schlosses ohne Schlüssel vorrangig aus Filmen und Büchern bekannt. Da gibt es sowohl in Krimis als auch in Fantasy-Romanen häufig fingerfertige Superhelden, die mit einem kleinen Stück Draht wie von Zauberhand jedes Schloss öffnen können. (Es sei bereits an dieser Stelle bemerkt, dass das Wort "knacken" unpassend wäre, weil es eine Zerstörung des Schlosses nicht ausschließt.)
Das wichtigste, was ich an dieser Akademie wahrscheinlich gelernt habe, ist, dass solche Vorstellungen stark verklärt und weit von der Realität entfernt sind. Erst nach monatelangem regelmäßigen Üben ist damit zu rechnen, dass man ein durchschnittlich gutes Schloss in weniger als einer Minute öffnen kann - allerdings nicht mit einem beliebigen Stück Draht, sondern mit geeignetem "Lockpicking"-Werkzeug.

Da ist der Name dieser Kunst also schon gefallen: Lockpicking. Darunter versteht man das zerstörungsfreie Öffnen eines Schlosses beliebiger Bauart ohne Schlüssel unter Verwendung speziell dafür vorgesehener Werkzeuge. Dieses Werkzeug besteht meist aus einem so genannten Spanner (in dem Artikelbild dunkelblau) und einem Pick. Beide können je nach Bauart des Schlosses die unterschiedlichsten Formen annehmen. Schon ein "Starterset" enthält zehn verschiedene Picks und vier Spanner [1].

Mithilfe dieses Werkzeugs lässt sich ein immens großer Teil der weltweit verwendeten Schlösser öffnen - mal abgesehen von den meisten elektronischen Schlössern, für die es andere Methoden gibt. Wer glaubt, ein Lockpicker scheitere an einem Zahlenschloss, der irrt. Für solche Exemplare bedarf es nicht mal des genannten Werkzeugs - die bekommt ein geübter Lockpicker per Hand auf!
Doch - wie anfangs erwähnt - jedes Schloss braucht seine Zeit: Und so kam man auf die Idee, aus dem Lockpicking eine Sportart zu machen. Die Sportsfreunde der Sperrtechnik Deutschland e.V. (SSDeV) bilden den weltweit ersten Verein zu dem Thema und veranstalten auch jährlich Meisterschaften im Schlösseröffnen in mehreren Disziplinen.

Wie funktioniert das denn nun eigentlich mit dem Lockpicking?

Dafür gibt es keine Antwort in zwei Sätzen,
da muss man viel zu viel erklären.
Das wär ja wirklich auch zu blöde,
wenn solche Sachen simpel wären.

Auch wenn es offensichtlich aus dem Kontext gerissen ist, passt dieses Zitat der Toten Hosen hier sehr gut. Denn in der Tat wäre es sehr blöde, wenn solche Sachen simpel wären. Und deswegen steckt hinter der Sportart Lockpicking eine Menge Theorie, die man zum Beispiel in Ted the Tools "Guide to Lock Picking" nachlesen kann [2][3].
Neben aller Theorie gehört dazu natürlich auch richtig viel Übung beziehungsweise Training. Und wer diese Fertigkeit mit kriminellen Absichten erlernen möchte, dem rate ich von Anfang an ab: Dafür ist diese Sportart schlichtweg nicht geeignet. Die meisten Türen, Fenster und Behältnisse bekommt man auf anderem Wege schneller auf - nur eben nicht so elegant.

Die Sportfreunde der Sperrtechnik haben darüber hinaus eine höchst ehrbare Sportordnung formuliert, die die kriminelle Nutzung der im Zuge dieses Sportes erlernten Fähigkeiten ausschließt [4] - so ist es ja auch bei Kampfsportarten oder beim professionellen Computerhacking.

  1. ssdev.org/SSDeV/shop_ext.php
  2. lysator.liu.se/mit-guide/mit-guide.html
  3. deutsche Übersetzung: lockpicking.org/lockpicking/MIT_D
  4. lockpicking.org/SSDeV/sportord.php

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