1. Februar 2007
Nach 14 Monaten Zauberberg bezwungen
Thomas Mann hat seinen Literaturnobelpreis meiner Meinung nach redlich verdient. (Dabei habe ich erst zwei seiner Bücher, nämlich den Zauberberg und die Buddenbrooks, gelesen.) Den Zauberberg begann ich vor etwa 14 Monaten zu lesen und schloss damit erst vor etwa 20 Minuten ab. Wie ist also die lange Lesedauer zu begründen?
Zuerst einmal muss berücksichtig werden, dass meine Leselust im letzten Jahr sehr zu wünschen übrig ließ. Zudem war das Jahr ohnehin verhältnismäßig ereignisreich und man sollte die äußerst klein bedruckten 1009 Buchseiten nicht unterschätzen. Doch kann ich nicht leugnen, dass Thomas Mann beliebt, sich in Details zu verlieren, sodass die Lektüre einige Durststrecken vorzuweisen hat, in denen der Autor sich etwa über das Thema "Der menschliche Organismus" auslässt und sich schließlich sogar dem äußerst abstrakten Problem der physikalischen und chemischen Erklärung von Leben widmet. Doch immerhin lässt das doch zumindest auf die außerordentliche Intelligenz oder zumindest Bildung des Autors schließen.
Auf den Inhalt des Buches werde ich hier nicht eingehen - eine Inhaltsangabe findet man an zahlreichen Stellen im Internet. Ich will nur kurz meine Eindrücke schildern: Mir hat der Roman letztendlich wirklich hervorragend gefallen. Die Entwicklung, die der "Held", aber auch die Gesellschaft, in der Pension durchmacht, ist eindrucksvoll und präzise dargelegt und ausgestaltet. Auch wenn sich viele Textpassagen in ihrer Detailverliebtheit überschlagen, zeugt der Textfluss doch von guter Lesbarkeit und Unterhaltsamkeit.
Viele Aspekte, die der Autor in die Geschichte einbaut, brachten mich zum Nachdenken und gelegentlich verleitete mich die Ironie der ein oder anderen Beschreibung auch zum schmunzeln. Zum Schluss konnte man sogar von dem Begriff von Spannung reden, den die heute mehr oder minder verkommene Unterhaltungswelt geprägt hat: Immerhin kam es zur Ausübung esoterischer Riten, Schlägereien, Duellen und zuletzt gar zum finalen Krieg, dem 1. Weltkrieg, auf den schließlich alles hinausläuft.
Dieses Buch hat mich tief beeindruckt und ich kann es jedem, der bereit ist, einiges an Zeit zu investieren, mit gutem Gewissen empfehlen. Die Geschichte des jungen Hans Castorp ist einfach mitreißend und es handelt sich immerhin um das Werk eines Literaturnobelpreisträgers.