25. April 2010
Gute Idee - wenig überzeugend umgesetzt
Unter der Bezeichnung "Gesprächskonzerte" gibt der in Deutschland lebende amerikanische Pianist David Andruss [1] seit einiger Zeit Klavierkonzerte, bei denen er alle Stücke, die er vorträgt, mit Hintergrundinformationen bereichert.
Laut Andruss ist das an Musikhochschulen eine sehr gängige Methode des Dozierens. Er hält sie allerdings offensichtlich für massentauglich und traut sein Programm der (Fuldaer) Öffentlichkeit zum wiederholten Male zu - offenbar mit großem Zuspruch.
Diese Mischung aus Konzert und musiktheoretischem Vortrag begegnete mir erstmals, als ich vor wenigen Jahren auf die "lectures" von Andras Schiff für die britische Tageszeitung "The Guardian" stieß, die kostenlos im Internet abrufbar [2] sind. Einem brillanten Pianisten wie Andras Schiff entsprechend ist hier die herausragende Qualität der Beiträge kaum verwunderlich.
Zuletzt traf ich diese Form des Vortrags in Thomas Manns "Doktor Faustus" [3] an, wo der stotternde Wendell Kretzschmar bei öffentlichen und wenig besuchten Veranstaltungen dieser Art seine teilweise kuriosen Theorien zu musikalischen Themen äußert.
Da ich heute also an einem Gesprächskonzert von David Andruss einen Teil des Publikums bildete, musste der arme Pianist sich in meinem Kopf unweigerlich mit diesen beiden Idealbildern messen. Natürlich ist er im Vergleich unterlegen - doch dazu später mehr.
Mit Beginn um 17 Uhr konnte man das Gesprächskonzert noch gar nicht als Abendveranstaltung bezeichnen. Nach ungefähr 100 Minuten wurde man nämlich auch bereits vor 19 Uhr wieder entlassen.
Als Räumlichkeit diente der Veranstaltungssaal von wohnenplus nahe dem Fuldaer Stadtschloss. In dem fürchterlich kleinen, schlecht belüfteten und klimatisierten Räumchen, dessen Akustik nicht nur durch einige Säulen gestört wurde, hatte man Andruss mit einem mittelgroßen Flügel ausgestattet, dessen Klang dort unmöglich zur Geltung kommen konnte.
Die Voraussetzungen waren also schon ungünstig. Sie prallten aber unmittelbar mit David Andruss' Programm zusammen, weil der das Publikum in gewissem Maße um den gesprochenen Anteil seiner Veranstaltung betrog. Was er sagte, war höchst interessant und anschaulich, doch es war zu wenig: Die Bezeichnung "Gesprächskonzert" lässt mehr erwarten; die Akkustik des Raumes ließ es auch nicht zu, den gespielten Anteil zu Lasten des Gesprächs unnötig zu expandieren; und zuletzt bin ich eine angenehmere Mischung von den "lectures" und aus Doktor Faustus gewohnt.
Ich persönlich bekam das Gefühl, der Pianist wolle sich mehr in seinen musikalischen Fähigkeiten denn in seinem Wissen baden. Dem Publikum, dessen Altersdurchschnitt wohl nahe am Rentenalter lag, gefiehl das offenbar gar nicht schlecht. Ich selbst fand seine pianistischen Leistungen nur wenig befriedigend. Es schien fast so, als habe er sich mit Chopins Scherzi, Waltzern und Etüden für diesen Abend übernommen. Das hätte ich ihm nicht verübelt, hätten diese musikalischen Vorträge den Gesprächsanteil nicht so beschnitten.
Resümierend musste ich leider mehr Tadel als Lob verlauten lassen. Doch meine Vergleichsbilder sind, wie erwähnt, sichtlich Idealbilder und lassen meine Kritik etwas unfair ausfallen. Der Fairness halber muss ich also lobend erwähnen, dass überhaupt endlich mal jemand die Kultur des Gesprächskonzerts aufs Fuldaer Parkett gebracht hat. Angesichts des eher laienhaften Publikums räume ich auch ein, dass hochtrabende musiktheoretische Erörterungen wenig Anklang gefunden hätten.
Ich würde es also im Großen und Ganzen durchaus begrüßen, wenn Herr Andruss die Kultur des Fuldaer Raums auch weiterhin mit Gesprächkonzerten bereichern würde. Vielleicht stellt man ihm dann auch mal bessere Räumlichkeiten zur Verfügung und mit zunehmendem Erfolg wird er vielleicht wagen, den Redeanteil merklich zu erhöhen. Ich würde es Fulda wünschen.