tovotu

19. Mai 2010
Ein Wettbewerb als BLL im Abitur

Das fünfte Prüfungsfach im (hessischen) Abitur birgt seine ganz eigenen Besonderheiten: Der Schüler kann hier zwischen einer mündlichen Prüfung, einer Präsentationsprüfung und einer so genannten besonderen Lernleistung wählen. Der dritte Begriff ist dabei schon fast ein Mysterium und es scheint so, als würden auch kaum mehr als 5% der Schüler sich für eine solche "besondere Lernleistung" (BLL) entscheiden.

Eine BLL ist gemäß einer Info-Broschüre des Kultusministeriums Hessen "eine Arbeit, in der eine Aufgabenstellung selbstständig konzipiert, bearbeitet, reflektiert und dokumentiert wird". Sie wird "im Rahmen oder Umfang eines Kurses von mindestens zwei Halbjahren" erbracht [1].
Eine Eigenheit der BLL ist, dass sie sogar im Rahmen eines Leistungskurses erbracht werden kann, sodass man mit diesem Leistungskurs praktisch zwei der fünf Prüfungen abdeckt. Außerdem fließt die erreichte Note vierfach in die Abiturnote ein - andere Prüfungen zählen dreifach und werden durch die 13.II-Note des entsprechenden Prüfungsfaches ergänzt.

Zugegebenermaßen erscheint der Aufwand für eine BLL unangemessen hoch: Immerhin geht es hier schon nach Voraussetzung um mindestens zwei Halbjahre Arbeitszeit, wohingegen einer mündlichen Prüfung in wenigen Wochen hinreichend Vorarbeit geleistet werden kann.
Attraktiv ist die BLL also nur für Schüler, die ihre Freizeit ohnehin gerne mit einem passenden Thema füllen oder füllen wollen. Jemand, der sich schon immer für sein Heimatdorf interessierte, kann sein Hobby ins Abitur einbringen, indem er eine schriftliche Arbeit über die Dorfgeschichte oder über bestimmte Aspekte der Dorfgeschichte anfertigt. Wer in einem Musikinstrument Unterricht erteilt, kann seine Erfahrungen mit bestimmten Unterrichtsmethoden oder mit z.B. behinderten Musikschülern in einer schriftlichen Arbeit auswerten.

Nun hat natürlich nicht jeder solche außergewöhnlichen Hobbys. Kaum jemandem ist aber bewusst, dass auch "ein umfassender Beitrag aus einem vom Land geförderten Wettbewerb" [2] als BLL gilt. Und da sprechen wir über all die Teilnehmer von "Jugend forscht", "Jugend musiziert", "Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten", aber auch von "Bundeswettbewerben" (Mathematik, Informatik, Sprachen, ...) und "Olympiaden" (Physik, Chemie, Mathematik).
Eine zwar unvollständige und veraltete, aber einigermaßen hilfreiche Liste geförderter Wettbewerbe findet sich auf dem Bildungsserver Hessen [3].

Ich habe die Chance genutzt, indem ich meine Teilnahme an den ersten zwei Runden des Bundeswettbewerbs Mathematik als BLL einfließen ließ. Leider stand man dieser Wettbewerbs-Variante der BLL an meiner Schule kritisch gegenüber: Die Aufgaben seien nicht "selbstständig konzipiert". Damit berief man sich allerdings auf die oben genannte Info-Broschüre, die keine rechtliche Verbindlichkeit hat. In der VOGO selbst findet sich an geeigneter Stelle (§24 Abs. 5) nämlich nichts in dieser Form.
Man forderte mich dennoch dazu auf, die Wettbewerbsaufgaben in einen begleitenden und kommentierenden Text einzubetten, in dem ich verwendete Methoden vorstelle und erläutere. Das tat ich und bekam damit am Ende tatsächlich eine ziemlich gute Punktzahl.

Trotzdem würde ich mir wünschen, dass Schulen in Zukunft auch die "bloße" Wettbewerbsteilnahme bzw. die erzielten Erfolge direkt als BLL akzeptieren. Es handelt sich bei den genannten Wettbewerben schließlich nicht um Unternehmungen, die man so nebenbei erledigen kann. Wer dort wirklich etwas erreicht, hat es absolut verdient, seine Erfolge auch ins Abitur einfließen lassen zu dürfen. Außerdem findet durch eine schulische Anerkennung der Wettbewerbsleistung eine indirekte Förderung der Teilnahme an solchen Wettbewerben statt, was ich für eine höchst erstrebenswerte Sache halte.

Dass ich die VOGO nicht völlig falsch ausgelegt habe, behaupte ich vor allem deswegen, weil mir drei andere Schüler aus Hessen bekannt sind, die eine Wettbewerbsteilnahme ohne Beanstandungen als BLL einbringen durften.
Die "eigene Konzeption" der Aufgabenstellung halte ich im übrigen prinzipiell nicht für notwendig. Immerhin sind die Aufgabenstellungen der meisten Wettbewerbe weitaus anspruchsvoller als irgendeine selbst gestellte Aufgabe sein könnte. Und schließlich wäre es doch schade, wenn ein Schüler sich nur deswegen gegen eine BLL entscheiden würde, weil ihm keine geeignete Aufgabenstellung in seinem Fachgebiet (man denke dabei nur an Mathe) einfallen will, obwohl er womöglich einen beachtlichen Eifer in dieser Sache an den Tag legt, der ihm sonst nicht angemessen im Abitur angerechnet werden könnte.

  1. schulserver.hessen....oren/files/VOGOBG.pdf
  2. hessen.de/irj/HKM_I...811-f3ef-ef91921321b2
  3. gymnasium.bildung.h...ettbewerbe/index.html

Kommentare

Administrator 21. Mai 2010

Dein Einwand hat sicherlich seine Berechtigung. Liegt wirklich bereits ein Wettbewerbserfolg auf höherer Ebene vor, so wird es schwer für einen Lehrer sein, die Leistung nicht äußerst gut zu bewerten. Nun ist es mir aber nicht ganz klar, was dagegen spricht, dass der Lehrer bei einer so (wörtlich) "ausgezeichneten" Leistung eine entsprechend gute Note vergibt.

Eingebracht werden können auch Wettbewerbsbeiträge, die nicht zu einem Wettbewerbserfolg geführt haben. Die zu bewerten liegt nun gänzlich im Ermessen des Lehrers. Er wird die Leistung des Schülers an der Aufgabenstellung des Wettbewerbs messen. Nur weil eine Jury die Schülerleistung als unzureichend für einen Preis ansah, muss die Leistung ja nicht unzureichend für eine gute schulische Note sein. Und wie genau die Bewertungskriterien dann für die 15-Punkte-Skala auszusehen haben, liegt - genau wie bei jeder anderen BLL - im freien Ermessen der Lehrkraft!

Ich fordere im übrigen durchaus nicht, dass jeder, der an einem solchen Wettbewerb teilnimmt, den auch einbringen soll. Natürlich steht es dir letztendlich frei, doch die mündliche Prüfung in Chemie zu wählen. Dass du den BWM als BLL unbefriedigend findest, liegt vermutlich an deinem Ehrgeiz, deine Fähigkeiten auch auf konventionellem Wege unter Beweis zu stellen. Dabei sei angemerkt, dass du ziemlich sicher sein kannst, mit Chemie auch wirklich ein gutes Ergebnis zu erzielen - eine so günstige Aussicht bietet sich nicht jedem Schüler in dieser Situation.

Philip D. 20. Mai 2010

Ich habe ehrlich gesagt ein recht ungutes Gefühl dabei, einen Wettbewerb als BLL wiederzuverwerten. Ein Problem dabei ist meiner Meinung nach, dass dem Lehrer eigentlich nichts zu bewerten bleibt; der Wettbewerb ist bereits abgeschlossen und beurteilt, ganz abgesehen davon, dass die Lehrkräfte nicht unbedingt den nötigen Sachverstand besitzen, um die Aufgabenlösungen zu würdigen.
Schließlich finde ich es auch als Schüler nicht befriedigend, den BWM noch einmal im Abitur zu verwenden. Ich hätte ebenfalls die Möglichkeit dazu gehabt, doch angesichts des Arbeitsaufwandes werde ich jetzt in einer Chemie-Prüfung eine erheblich ruhigere Kugel schieben.
Neue Kommentare zu diesem Artikel bitte per Mail an kommentare-440(at)tovotu.de!