14. Juni 2010
Von Liebe und anderen Kuriositäten bei Seepferdchen und Blauwalen
Das "Seepferdchen" ist in Deutschland ein "Frühschwimmer"-Abzeichen. Kinder zwischen 4 und 8 Jahren absolvieren ein paar Aufgaben im Wasser und erhalten dafür einen runden Aufnäher, den viele dann auch tatsächlich stolz an ihrer Badebekleidung anbringen (lassen).
Das ist heutzutage vermutlich der Hauptgrund, warum ungewöhnlich viele Menschen die kleinen Tierchen kennen. Was es genau mit ihnen auf sich hat und warum sie vielleicht außer als Abzeichen-Tiere interessant sein können, werde ich hier versuchen darzulegen.
Der lateinische Name "Hippocampus", der übrigens dem Altgriechischen [1] entlehnt ist, umfasst etwa 30 verschiedene Seepferdchen-Arten, die allesamt zu den (Flachwasser-)Meeresfischen gehören. Der Name rührt natürlich von ihrem ungewöhnlichen Aussehen her. Seepferdchen haben übrigens keine Schuppen, sondern eine dünne Haut, die über ihr Skelett gespannt zu sein scheint.
Der Schwimmstil von Seepferdchen ist merkwürdig: nicht horizontal, wie Fische es gewöhnlich tun, sondern aufrecht. Sie haben auch keine Schwanzflossen, sondern nur ziemlich zurückgebildete Rücken- und Brustflossen. Wer wirklich schwimmt wie ein Seepferdchen erhält das entsprechende Abzeichen vermutlich nie: Seepferdchen bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 26 Zentimetern pro Minute fort, was natürlich von Art zu Art variieren kann.
Die Seepferdchen-Arten unterscheiden sich nämlich zumindest in der Größe deutlich: Die kleinsten Exemplare sind weniger als 2 cm lang, andere Arten erreichen die 15-fache Länge. Für alle ist die langsame Fortbewegung aber ein enormes Handicap: Zur Nahrungsaufnahme müssen sich Seepferdchen deshalb mit ihrem Schwanz an Pflanzen und anderen geeigneten Objekten festklammern. Perfekt getarnt treiben sie dann völlig entspannt stundenlang im Wasser und lassen sich die Nahrung förmlich in den Mund schwimmen. Die Orientierung behalten sie dabei mittels ihrer zwei großen Augen, die sie ganz unabhängig voneinander bewegen können.
Seepferdchen gibt es schon seit 40 Millionen Jahren - weil ein Seepferdchen aber nie älter als 5 Jahre wird, müssen sich natürlich auch Seepferdchen fortpflanzen. Und da findet sich schon die nächste Kuriosität: Bei den Seepferdchen ist Emanzipation ganz schön weit fortgeschritten. Im Aussehen unterscheiden sich Männchen kaum von Weibchen. Das eigentlich bemerkenswerte ist jetzt aber, dass Männchen diejenigen sind, die umworben werden. Das Männchen will nämlich nicht das Weibchen befruchten, sondern es ist Ziel des Weibchens, dem Männchen Eier in seine Bauchtasche zu legen.
Hat sich ein Seepferdchen-Pärchen gefunden, verbringen sie mehrere Tage zusammen, bevor es zum eigentlichen Geschlechtsakt kommt, der acht Stunden andauert. Dabei wechseln die Seepferdchen ihre Farbe und schwimmen spiralenförmig in Richtung Wasseroberfläche. Nach dem "Sex" sinken beide zurück zum Grund und das Weibchen überlässt das schwangere Männchen sich selbst. Das Männchen muss jetzt hunderte Eier austragen und bläht sich dabei unvorstellbar auf - kein Vergleich zur Schwangerschaft beim Menschen. Aufgrund der ungewöhnlichen Fortpflanzungsrituale dachte man lange, Seepferdchen lebten monogam. Das ist allerdings heute umstritten.
Den Farbwechsel vollführen Seepferdchen übrigens nicht nur während des Geschlechtsaktes, sondern auch sonst ständig - vielleicht aus Langeweile, aber hauptsächlich wohl doch zur Tarnung und als Signal. Man kann außerdem nicht nur zwischen Weibchen und Männchen schwer unterscheiden, sondern auch der Alterungsprozess hinterlässt kaum sichtbare Spuren. Sogar eine verlorene Flosse stört nicht: Die wächst bald wieder nach.
Obwohl die Seepferdchen aber so tolle Eigenschaften haben, gehören sie zu den meistbedrohten Meeresfischen. Dabei ist ihr größter Feind der Mensch: Als Beifang, aber auch zur medizinischen Nutzung (in China) finden unzählige Seepferdchen den frühen Tod.
Ebenfalls bedrohte Meeresbewohner sind die Blauwale. Während in den 1920er Jahren noch über 200.000 davon in den Weltmeeren unterwegs gewesen sein müssen, zählt man heute nur noch knapp ein Zehntel davon. Dabei sind Blauwale genauso faszinierend wie Seepferdchen und werden mit 90 Jahren um einiges älter. Dafür brauchen sie aber auch einige Jahre bis zur Geschlechtsreife. Das Paarungsverhalten von Blauwalen ähnelt wieder eher dem von Menschen - es sind ja schließlich auch Säugetiere. Man weiß zwar nicht besonders viel über den Geschlechtsakt und die Balz, aber ein paar Details sind sicher: Ein Weibchen hat nur alle zwei Jahre Sex. Und ein Weibchen bleibt seinem bei der Geburt 2,5 Tonnen schweren Jungtier, das täglich zwischen 100 und 600 Litern Milch braucht, sehr lange treu. Auch bei Blauwalen gibt es Indizien für Monogamie. Der Geschlechtsakt ist aber wohl nicht so romantisch wie bei Seepferdchen, wenn das Männchen seinen mehrere Meter langen Penis in die riesige Vagina einführt und bei der Ejakulation etliche Liter Sperma den Besitzer wechseln. Darüber, ob das nur eine Minute, oder mehrere Stunde dauert, und ob bisweilen ein dritter Wal Hilfestellung gibt, kann man trefflich fantasieren, denn so eine richtig gute Gelegenheit, das Liebesspiel zu beobachten, gab es bisher offenbar nicht [2].
Meine Informationsquellen sind einige Internetseiten [3][4][5][6][7], da ich leider keine besonders hilfreiche Literatur zur Hand hatte. Auf den Seiten finden sich auch noch viele andere Informationen für Interessierte. Ich habe versucht, das Bemerkenswerte und nicht bereits weithin Bekannte zu extrahieren.