31. Dezember 2010
Weihnachten und Schneechaos in NYC 2010
In den vergangenen sechs Tagen stattete ich zusammen mit Schwester und Vater meinem Bruder, der momentan auf Long Island studiert, einen weihnachtlichen Besuch ab. Dabei nutzten wir die einmalige Gelegenheit, die größte Stadt der Vereinigten Staaten zu besichtigen: New York City.
Als wir am Nachmittag des 24. Dezembers im Big Apple angekommen waren und zum ersten Mal von unserem Hotel "La Quinta" in Queens die Subway zur Fifth Avenue genommen hatten, bot sich uns bereits der Anblick menschenüberlaufener Straßen rund um Times Square und Rockefeller Center. Der reichliche weihnachtliche Schmuck konnte über den fehlenden Schnee hinwegtrösten:
Auch ohne das hexagonale Weiß war es reichlich kühl und am Bryant Park und im Rockefeller Center liefen Menschenmassen mit Schlittschuhen vergnügt über das künstliche Eis.
Am Samstag, dem ersten Weihnachtsfeiertag - vielleicht einem der wenigen Tage im Jahr, an denen man den Eindruck bekommen kann, dass New York doch irgendwann mal schläft - fuhren wir mit der Long Island Railroad gen Osten zum abgelegenen Campus der Stony Brook Universität, um meinen Bruder zu besuchen. Der geräumige Campus war jetzt zur Ferienzeit natürlich wie ausgestorben. Von den gut 23000 Studenten war nichts zu sehen. Ein kurzer Rundgang verschaffte uns aber einen Überblick über die großen, aber schlicht gehaltenen Gebäude der Universität. Natürlich konnten wir auch einen Blick in die völlig überteuerten und erbärmlich kleinen Studentenunterkünfte werfen, bevor wir mit unserem Bruder abends in das Hotel in Queens einkehrten.
Das Wetter schien beständig bis auf ein paar Wolken am Himmel und so entschieden wir uns am Sonntagmorgen für eine Überfahrt von Manhattan nach Liberty und Ellis Island. Als wir in Ellis Island anlegten, fielen dann doch die ersten Schneeflocken vom Himmel und es wurde bekannt gegeben, dass der Schiffverkehr aufgrund der Witterung ab 14 Uhr eingestellt werden sollte. Nach einem kurzen Besuch des Einwanderermuseums bedeckte den Boden bereits eine zarte Schneeschicht und wieder zurück in Manhattan flogen uns zunehmend die Schneeflocken um die Ohren. Nach einem kurzen Trip durch die Downtown mit Ground Zero, City Hall und Wallstreet, flüchteten wir uns vorerst ins Metropolitan Museum of Art, das dann aber auch bereits eine halbe Stunde zu früh die Pforten schloss. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in den Straßen New Yorks ein ausgewachsener Schneesturm, ein "blizzard", entwickelt. Orkanartige Windböen ließen einen dichten Schneeflockenschleier zwischen den Wolkenkratzern hin- und herjagen. Mit einer Sichtweite von kaum 5 Metern bahnten wir uns den Weg zum Times Square: Hier wollten wir noch Last-Minute-Tickets für ein Broadway-Musical erstehen, verwarfen unsere Pläne dann angesichts des katastrophalen Wetters aber wieder.
Am nächsten Tag war der Himmel wieder strahlend blau. Doch noch immer brauste der Wind mit 60 Kilometern pro Stunde durch die Straßen und die Folgen des Schneesturms waren angesichts der Schneedecke von einem halben Meter und der zahlreichen ausgefallenen Subway-Verbindungen nicht zu übersehen.
Gerade unsere Verbindung von Queens nach Manhattan hatte ein Totalausfall erwischt. Wir stapften also einen guten Kilometer zur nächsten Subwaystation einer günstigeren Linie, die dann auch tatsächlich fuhr. Mittags kamen wir so trotz der völlig verschneiten und noch kaum geräumten Straßen ins Museum of Modern Art (MoMA), wo wir die vielleicht bedeutendsten Werke der modernen und zeitgenössischen, vor allem amerikanischen Kunst bewunderten.
Gegen Abend besuchten wir das gigantische Einkaufszentrum "Queens Mall". Die dortigen Geschäfte schlossen ihre Pforten allerdings aufgrund des Wetters viel früher als gewöhnlich und so saßen wir wieder ziemlich früh in unserem kleinen Hotelzimmer.
Bis Dienstagmorgen hatte sich New York weitgehend von der unerwarteten Schneebescherung erholt. Die meisten subway trains verkehrten wieder einigermaßen regelmäßig und die Straßen und Gehwege gingen über vor Auto- und Menschenmassen. Zwischen Gehweg und Straße türmten sich mannshohe Schneeberge, ein Durchkommen war nur an den Fußgängerüberwegen in Sicht. Und selbst dort hatten sich riesige Lachen nassgrauen Schneematsches gebildet. Die New Yorker ließen sich ihre "holidays" nicht verderben: sie waren mit Gummistiefeln für dieses Wetter bestens gerüstet, was wir Urlauber nicht von uns behaupten konnten. Die Matschlachen mussten wir also weiträumig umgehen oder nasse Füße riskieren.
Unser Rückflug am Donnerstag ging übrigens ohne Probleme pünktlich und verlief ohne Zwischenfälle. An dem Tag, da wir New York verließen, hatten die sturmartigen Winde bereits das Weite gesucht, alle Züge fuhren wieder pünktlich, die Straßen waren geräumt und der Schnee taute unter der warmen, strahlenden Sonne dahin.
Trotz und wegen des katastrophalen Blizzards war die kurze New York-Reise eine ganz einzigartige und lohnende Erfahrung. Insbesondere zu Anfang war ich bei jedem Blick auf die gelben Taxis, die gigantischen Wolkenkratzer, die silbernen Subwaytrains und die unruhigen Leuchtreklamen und Bildschirme auf dem Times Square wie in eine andere Welt versetzt - nämlich in jene, die dem durchschnittlichen Europäer viel zu gut aus den Nachrichten und vor allem aus Filmen und Büchern bekannt zu sein scheint. So hatte ich zunächst das Gefühl, ich laufe durch eine gigantische unwirkliche Filmkulisse. Spätestens durch den Schneesturm wurde ich allerdings in die Wirklichkeit zurückgerufen, auch wenn ich nicht leugnen kann, den ein oder anderen Gedanken an "The Day After Tomorrow" verschwendet zu haben.