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16. April 2009
Homöopathie - Gefahr, "Opium fürs Volk" oder harmloser Trend?

Um das Jahr 1800. Ein Deutscher namens Samuel Hahnemann beobachtet, wie fatal die Medizin in Verruf geraten ist. Und er hat Recht: Seine zeitgenössischen Ärztekollegen haben in den letzten Jahren Heilmethoden entwickelt, die teilweise die Symptome der Patienten noch verschlimmern. Kaum ist man in der Biologie und Chemie ein bisschen fortgeschritten, glauben einige Ärzte anscheinend, die haarsträubendsten Mittel verabreichen zu müssen.

Hahnemann liegt also viel daran, eine Alternative zu finden, und die findet er in der eigens von ihm begründeten Homöopathie. Bei einem Selbstversuch stellte Hahnemann nämlich fest, dass die damals bekannte "Chinarinde", die als Mittel gegen Malaria bekannt war, bei der Anwendung auf einen gesunden Menschen ähnliche Symptome hervorrief, wie sie charakteristisch für die Malaria-Erkrankung waren. Leider ist es nach Hahnemann niemandem gelungen, diesen Versuch zu rekonstruieren. Das heißt, er scheint fast die einzige "gesunde" Person zu sein, bei der Chinarinde diese Wirkung zeigt - vielleicht war er allergisch gegen Chinarinde - wer weiß?

Jedenfalls schloss Hahnemann aus dieser Erfahrung, dass wohl jede Krankheit nur durch ein solches Mittel geheilt werden könne, das auf einen gesunden Menschen angewendet ein ähnliches Leiden hervorrufe, wie es für die zu behandelnde Krankheit bezeichnend ist. Diese Annahme führte auch zur Namensgebung "Homöopathie", was ins Deutsche meist mit "gleiches Leid" übersetzt wird.

Dabei bestand Hahnemann darauf, dass das Heilmittel auf keinen Fall mit anderen Mitteln vermischt werden dürfe, wie es schon damals in der Medizin üblich war. Zudem soll das Mittel auch nicht pur, sondern mit einem geeigneten "neutralen" Lösungsmittel (Wasser, Alkohol, Glycerin, ...) verdünnt eingenommen werden. Diese Vermischung nannte er "Potenzierung". Hochpotenziert war ein Mittel, das in geringer Konzentration gelöst war; niedrig potenziert war es, wenn viel Wirkstoff im Lösungsmittel vorlag.

Dabei waren teilweise extrem starke Verdünnungen des Mittels üblich, sodass bisweilen auf ein Teilchen des Wirkstoffs 100 Trilliarden Teilchen der Lösungsmenge kamen. Ein Schnapsglas dieser Lösung enthielt also bestenfalls ein paar Moleküle des Wirkstoffs. Hahnemann kam in Versuchen zu dem nicht nachvollziehbaren Schluss, diese Verdünnung verhindere nicht nur unerwünschte Nebenwirkungen, sondern fördere sogar die gewünschte Wirkung.

Gegenüber den damals teilweise gefährlichen Mitteln der Allgemeinmedizin hatten homöopathische Mittel wenigstens keine Nebenwirkungen. In manchen Fällen halfen sie sogar tatsächlich, was aus heutiger Sicht wohl auf den Placebo-Effekt zurückzuführen ist. Jedenfalls war der Erfolg riesig. Die neue Heilmethode wurde in Ländern auf der ganzen Welt adaptiert und entgegen der Stimmen einiger Kritiker gründeten sich auch schon bald die ersten Verbände und Hochschulen der Homöopathie.

Als in der Weimarer Republik die Nationalsozialisten immer mehr an Gewicht gewannen, äußerten sich zahlreiche Homöopathen positiv gegenüber dem Rassendenken. Im Dritten Reich dann unterstellten sich die Homöopathie-Verbände der staatlichen Kontrolle und genossen dafür zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte direkte staatliche Förderung. Doch selbst die verwirrten Nazis entdeckten nach einigen Jahren durch wissenschaftliche Studien, dass Homöopathie ziemlich wirkungslos ist und wendeten sich schließlich von dieser Heilmethode ab.

Heute halten noch immer zahlreiche Menschen Homöopathie für die Heilkunde ihres Vertrauens. Man kann sogar sagen, dass diese "Paramedizin" sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit erfreute. In England hat man sogar die Königsfamilie als Fürsprecher gefunden und in vielen Ländern wird Homöopathie immerhin als Heilmethode staatlich anerkannt.

Dagegen stehen mit zunehmendem wissenschaftlichen Fortschritt hunderte Studien, die belegen, dass Homöopathie keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus zeigt, und aller wissenschaftlichen Erkenntnis nach ist das auch nachvollziehbar.

In einigen Fällen kann sogar von einer gefährlichen Wirkung homöopathischer Therapien gesprochen werden. Denn die Behandlung mit homöopathischen Mitteln verzögert die medizinische Behandlung unnötigerweise.

Homöopathen haben im Laufe der Zeit - vergleichbar mit Esoterikern und Theologen - ein riesiges Repertoire an Ausreden angesammelt. Wenn sich die Krankheit etwa nach Einnahme eines homöopathischen Mittels direkt verschlimmert, sei das ein Anzeichen dafür, dass der Körper auf den Stoff anspringe. Keinesfalls sei das negativ zu beurteilen, sondern ein Beweis für die Wirkung homöopathischer Mittel. Dann wird häufig darauf hingewiesen, der Patient habe zur Zeit der Einnahme einen "ungeeigneten Lebensstil" geführt, wenn das Mittel keine Wirkung zeigen sollte. Vor Beginn der Therapie wird auch nie eine Planung über die Dauer bzw. den Umfang der Behandlung vorgenommen. Man bricht die Therapie einfach ab, sobald die Symptome zurückzugehen scheinen.

Wirklich erschreckend an Homöopathie ist, dass man bei einer Suche danach über Google oder etwa im Buchsortiment von Amazon so gut wie kein Ergebnis antrifft, das die Homöopathie zu kritisieren wagt. Das gibt den Anschein einer konsistenten und anerkannten Heilmethode. Liest man sich aber den sehr gut belegten Wikipedia-Artikel durch (mit über 50 Quellennachweisen), bekommt man den Eindruck, dass jeder halbwegs intelligente Allgemeinmediziner, der homöopathische Behandlungen in sein Angebot aufnimmt, dies offensichtlich rein aus kommerziellen Gründen tut. Denn wer seinen Patienten Mittel in dem Wissen verschreibt, dass sie nichts nützen, der ist augenscheinlich nur auf das Geld dieser Menschen aus - zumal die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten der meisten homöopathischen Mittel nicht übernehmen und folglich der Arzt ohne Umwege und sofort an seinen Profit kommt.

Die in der Überschrift gestellte Frage beantworte jeder für sich selbst. Ich für meinen Teil halte Homöopathie für ungefährlich, solange keiner von mir verlangt diesen esoterischen Unsinn anzuerkennen oder sogar zu unterstützen. Ich halte jedoch eine Schwelle für überschritten, sobald der Staat diese Methoden fördert. Es kann nicht im Sinne vernunftbegabter Menschen sein, dass man im deutschen Sozialgesetzbuch lesen kann, dass Homöopathie eine "Besondere Therapieform" ist, die angesichts des "Wissenschaftspluralismus der Medizin" akzeptiert wird. Dabei verwendet Homöopathie bei der Ermittlung geeigneter Heilmittel offensichtlich Wege, die nicht mit den Bestimmungen im Arzneimittelgesetz konform gehen.

Ich halte es für unbedingt notwendig, dass Menschen über diesen Irrglauben der Homöopathie aufgeklärt werden. Alleine die Idee, Wirkstoffe so stark zu verdünnen, dass sie in der Lösung gar nicht mehr oder bestenfalls in Form einzelner Moleküle vorkommen, ist völlig absurd und geht offensichtlich gegen jeden gesunden Menschenverstand. Hier werden Placebos als Heilmittel verkauft!

Dass Länder wie Frankreich Homöopathie staatlich und offiziell anerkennen, ist angesichts des naturwissenschaftlichen Fortschrittsstrebens fatal. Warum gewährt man nicht den ganzen anderen astrologischen und esoterischen Denkrichtungen die staatliche Anerkennung?

Weitere Texte, die interessante Denkansätze zum Thema beinhalten finden sich beim Deutschen Ärzteblatt hier bzw. hier oder in der Zeit.

Kommentare

Tassilo 17. April 2009

Krank ist das Gegenteil von Gesund.
Heilung das Gegenteil von Erkrankung.

Es scheint so als ob dieser ganze Humbug auf dieser einfach und richtig klingenden, logischen Gedankenkette beruht. Das Problem bei Logik ist wohl eben nur, dass sie nicht immer zu hundert Prozent auf alles anzuwendbar ist. Es ist schlichtweg dumm, nur aufgrund von Dingen die sich in gewisser Weise richtig anhören, eine wissenschaftliche Erkenntnis zu ziehen. Schöner Artikel!

"Failing = Failing at Failing = Winning"

Bis bald!
Tassi
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