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2. Juni 2010
Zweites Trentemøller-Album: Neue Linie eingeschlagen

Das Album "Last Resort" des dänischen Elektromusikers Anders Trentemøller stellte 2007 gewissermaßen meinen Zugang zu elektronischer Musik jenseits des Mainstreams dar. Mit den "Chronicles", zahlreichen Single-Erscheinungen und Remixes wurde ich immer wieder in meinem positiven Eindruck von der Musik Trentemøllers bestätigt.

Mit Erscheinen der Harbour Boat Trips wurde langsam deutlich, dass Trentemøller im Begriff war, neue Wege zu beschreiten: Auf der Compilation, die bei dem neuen Label "hfn music" erschienen war, befanden sich hauptsächlich Remixe - aber nicht (wie gewohnt) von Techno-Tracks, sondern von waschechten Rock- und Pop-Songs. Das hatte musikalisch kaum noch etwas mit "Last Resort" zu tun - nur der eingefleischte Trentemøller-Kenner glaubte noch die charakteristische Stimmung herausfühlen zu können.

Seit der Single "Sycamore Feeling" scheint es offiziell zu sein, dass Trentemøller sich mit dem "Boat Trip" endgültig in neues Fahrwasser begeben hat. Auf seinem neuen Album "Into The Great Wide Yonder", das am 28. Mai in drei Ausführungen erschienen ist [1][2][3], präsentiert er zehn neue Tracks. Ich nenne die "Special Edition" (mit DVD) seit Samstag mein Eigentum und will mich hier an eine Analyse wagen, nachdem ich bereits einige Tage reinhören konnte.

Unter den zehn Titeln befinden sich immerhin vier waschechte "Songs", die in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Sängerinnen und einem Sänger aufgenommen wurden: Traten die Vocals in "Last Resort" noch gemäß Elektro-Tradition hauptsächlich als gleichberechtigt zu den restlichen Klängen auf, so finden sich hier in Manier der Pop/Rock-Musik Gesangsstimmen, gegenüber denen der instrumentale und elektronische Teil der Musik zunehmend eine begleitende Rolle einnimmt.
Außerdem bedient sich Trentemøller immer häufiger Rhythmen und Beats, die aus der Pop/Rock-Musik bekannt sind (man beachte das durchgängige Beat-Pattern bei "Silver Surfer, Ghost Rider Go!!!").

Beim Hören wurde ich immer wieder an das Debut-Album von Polarkreis 18 erinnert (besonders "Shades Of Marble"). Und gleichzeitig klang in "Silver Surfer, Ghost Rider Go!!!" Bekanntes aus dem Klassiker "Rocker" von Alter Ego an.
Der abschließende Song "Tide" hätte in einer Offstream-Filmproduktion einen sicherlich großartigen Soundtrack abgegeben. Und damit sind wir auch schon bei der Zusammensetzung des Albums: Auswahl und Reihenfolge der Titel machen einen runden und in sich geschlossenen Eindruck. "The Mash And The Fury" bietet zwar einen nicht ganz leicht verdaulichen Einstieg. Nach dem Höhepunkt bei Titel 8 stellen "Neverglade" und "Tide" aber einen guten Abschluss dar.

Wie bei Harbour Boat Trips unterscheiden sich die musikalischen Formen in "Into The Great Wide Yonder" zwar grundlegend von den althergebrachten ("Last Resort"). Die für Trentemøller charakteristischen Tendenzen zu düsterer, geheimnisvoller, manchmal träumerischer und immer ausdrucksstark-emotionaler Musik finden sich aber auch in seinem neuesten Album wieder. Obwohl die Musik populäre Formen anzunehmen scheint, ist sie doch ernster geworden. Und obwohl ich an der CD die bahnbrechende Eigenständigkeit und musikalisch-schöpferische Bedeutungsschwere des Debut-Albums nicht wiederfinden kann, räume ich "Into The Great Wide Yonder" herausragende Hochwertigkeit auf allen musikalischen Ebenen ein, indem ich mit dem wirklich lesenswerten Laut.de-Review von Matthias Manthe weitgehend übereinstimme.

Die der Special Edition beiliegende DVD enthält übrigens eine Live-Videoaufnahme vom Roskilde-Festival ("Silver Surfer, Ghost Rider Go!!!"), wo die Musik von einer wirklich beeindruckenden Bühnen-Performance begleitet wurde. Dazu gibt es das offizielle Musikvideo der Single "Sycamore Feeling". Außerdem kommt die "Special Edition" in einer hochwertigen Verpackung mit (leider gefaltetem) Poster daher:

  1. discogs.com/Trentem...onder/release/2288829
  2. Special Edition mit DVD: discogs.com/Trentem...onder/release/2296348
  3. Vinyl LP: discogs.com/Trentem...onder/release/2306276

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