tovotu

2. Dezember 2010
Privatsphäre, Datenschutz und Facebook

Es ist schon seit geraumer Zeit ein höchst brisantes Thema: Facebook und sein Gründer Mark Zuckerberg. Man kann aber auch nicht leugnen, dass sich in diesem Zusammenhang ständig Dinge ereignen, die entweder so noch gar nicht vorgekommen sind oder zumindest sehr kurios wirken.

Man beachte bereits den Film "The Social Network", wo Mark Zuckerberg wirklich nicht gut wegkommt. Bereits vorher hieß es, aus Chatprotokollen sei rekonstruierbar, der Facebook-Gründer habe einst Harvard-Studenten, die ihm unter anderem ihre Kontaktdaten anvertraut hatten, als "dumb fucks" (etwa "Vollidioten") bezeichnet.[1] Darüber hinaus hat er in einem Interview im Januar 2010 angedeutet, die Bereitschaft seitens der Internetbenutzer, immer mehr persönliche Daten ins Internet zu stellen, mache deutlich, dass Privatsphäre bereits heute ein überholtes Konzept ist.[2] Dabei berief er sich auf "soziale Normen", die sich nun mal über die Jahre änderten; Facebook passe sich lediglich daran an. An anderer Stelle scheint er sich dann doch wieder nicht allzu sicher zu sein, wie sensibel er mit den ihm anvertrauten Nutzerdaten umgehen muss. Er berichtete Ende November, er mache "so viele Fehler" - Bedauern darüber äußerte er nicht, er beteuerte aber, er gebe sein Bestes.[3]

Eines ist sicher: So einfach, wie Zuckerberg die "sozialen Normen" zu durchschauen scheint, ist es nicht. Es gibt unzählige Hinweise darauf, dass ein allgemeiner Konsens über Privatsphäre und Datenschutz einfach nicht besteht: Unzählige Webseiten, Organisationen, Internetvideos und Aktionen rufen dazu auf, Facebook-, Twitter- und andere Web-2.0-Accounts zu löschen (z.B. [4]). Außerdem ist auffällig, wie wenig wohlwollend die Presselandschaft über Facebooks Umgang mit Benutzerdaten ausfällt. Nicht nur Golem, Gulli oder heise, sondern auch Printmedien wie Die Zeit, die FAZ und andere große Presseorgane legen regelmäßig einen sehr kritischen Ton an den Tag, wenn sie von Facebook berichten. Es ist absurd, anzunehmen, sie würden damit "nur" ihre eigene Meinung darstellen. Es wäre schließlich fatal für die Leserquote, wenn an dieser Stelle wirklich eklatante Meinungsverschiedenheiten bestehen würden. Außerdem muss man gestehen, dass sich die unzähligen Möglichkeiten, die das Internet bietet, anonym und unverbindlich Informationen auszutauschen, nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Prominentes Beispiel dafür ist die Webseite 4chan, über die kürzlich ein interessanter Artikel in der amerikanischen Zeitschrift Technology Review erschienen ist.[5]

Wer den Einwand vorbringt, Facebook beruhe nun mal auf dem Prinzip der Preisgabe persönlicher Daten - es stehe im Übrigen sogar jedem frei, welche Daten er im Einzelnen preisgibt -, der hat nicht ganz Unrecht. Damit ist es aber nicht getan. Ich halte es für sehr sinnvoll, dass der Rechtsstaat es nicht völlig der Verantwortung jedes Individuums überlässt, auf seine Privatsphäre und seine persönlichen Daten aufzupassen. In der deutschen Rechtssprechung jedenfalls wird das glücklicherweise so gehandhabt. Die unzähligen Werbeanrufe, -briefe und -emails, mit denen man andernfalls zu kämpfen hätte, wären nur das augenscheinlich unangenehmste. Dazu kommen all die persönlichen Informationen, die auf irgendwelchen Servern womöglich ungeschützt herumliegen würden. Aus Browserverläufen, Nachrichtenprotokollen und ähnlichen Datensammlungen ließen sich peinliche Informationen über Erkrankungen, sexuelle Vorlieben, exzesshafte Partyerlebnisse, politische Ansichten oder auch nur kleine Lästereien und unvorsichtige Äußerungen an die Öffentlichkeit bringen. Wenn der Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten wirklich dem einzelnen Individuum überlassen wäre, könnte diese Katastrophe sicher nur durch einen unangenehm vorsichtigen und sicherlich die Freiheit unnötigerweise einschränkenden Lebensstil verhindert werden.

Um dieses Szenario zu verhindern, gibt es also verbindliche rechtliche Grenzen, was die Speicherung und Verwendung von Kundendaten und generell von fremden Daten angeht. Dazu gehört eben auch, dass ein Kunde bei der Anmeldung mit seinen persönlichen Daten im Vorfeld darüber informiert werden muss, was mit seinen Daten geschieht. Und danach gibt es auch eine rechtliche Verpflichtung, diese Vereinbarung einzuhalten. Außerdem besteht Auskunftpflicht gegenüber dem Kunden, welche Daten genau über ihn aufgezeichnet worden sind. Wer genauere Informationen darüber einholen will, sollte die Stichworte "Bundesdatenschutzgesetz" (BDSG), "Telemediengesetz" und "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" in Erinnerung behalten. Im weiteren Sinne gehören zum Komplex Privatsphäre und Datenschutz übrigens zum Beispiel auch die Einschränkungen bezüglich der Anfertigung und Veröffentlichung von Bild- und Tonmaterial. Ein Anrufer darf ein Telefongespräch mit mir nicht aufzeichnen, wenn ich dem nicht ausdrücklich im Vorfeld zugestimmt habe. Niemand darf ohne meine Zustimmung eine Fotografie veröffentlichen, auf der ich erkenntlich abgebildet bin.

Dass es in Deutschland und in vielen anderen Ländern diese rechtlichen Vereinbarungen gibt, sollte aus diesen meiner Meinung nach einleuchtenden Gründen jeder zu schätzen wissen. Datenschutz und Privatsphäre sind hohe Güter und auch Facebook darf diese Werte nicht auslegen, wie es gerade passt. Deswegen wurde Facebook übrigens kürzlich von deutschen Datenschützern verklagt.[6]

Das Argument, jeder könne ja selbst entscheiden, ob er seine Daten bei Facebook preisgeben möchte oder nicht, ist vor allem deswegen nur mit Vorsicht zu genießen, weil viele Menschen einfach nicht einschätzen können, was alles mit ihren Daten passieren kann und welche Einwilligungen es im Detail sind, die sie bei der Nutzung der unterschiedlichen Dienste von Facebook abgeben. Dass die Nutzer von Facebook jede beliebig komplizierte "privacy policy" durchschauen, kann nicht von ihnen verlangt werden. Und deswegen muss man auch Facebook einen - nicht unwesentlichen, doch wenigstens den rechtlich verbindlichen - Teil der Verantwortung zuschieben, wenn es um die Wahrung von Privatsphäre und Datenschutz geht.

Privatsphäre und Datenschutz sind durchaus nicht vom Aussterben bedroht. Ich behaupte sogar, dass sie nie so groß im Kommen waren wie heute. Denn in welchem Zeitalter wurde so viel um Privatsphäre und Datenschutz gekämpft wie heute?

Dass im Zusammenhang mit Facebook auch immer wieder von Offenheit die Rede ist - also von jenem Begriff, dem ich vor wenigen Tagen erst einen Artikel widmete [7] -, ändert nichts an der Tatsache, dass Facebook wichtige gesellschaftliche und ethische Werte gewaltsam einzustampfen droht. Dieser Entwicklung kann und darf man nicht gleichgültig zuschauen. Und zum Glück tut sich auch etwas auf diesem Gebiet. Aber leider stehen auf der anderen Seite weiterhin viele Menschen dem Kampf um Privatsphäre und Datenschutz mit Unverständnis gegenüber. Das ist ein gefährlicher Trend, zu dessen Eindämmung dieser Artikel hoffentlich einen Beitrag leisten kann.

  1. businessinsider.com...ivacy-problems-2010-5
  2. ustream.tv/recorded/3848950
  3. youtube.com/watch?v=CRUOl03nZIc
  4. suicidemachine.org
  5. technologyreview.com/web/25997/?a=f
  6. golem.de/1011/79744.html
  7. tovotu.de/blog/474-...am-angebissenen-Apfel

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