tovotu

15. August 2012
Wie komm' ich weg von T-Online Mail 6.0?

Jüngst gab die Mozilla Foundation bekannt, dass sie die Entwicklung von Thunderbird mittelfristig einstellen wird.[1] Die Begründung lautete, es sei nicht gelungen, mit Thunderbird neue Impulse für den Nachrichtenaustausch im Internet zu geben. Das ist eine offenkundige Kapitulation vor webbasierten Email-Diensten wie Googlemail, aber auch vor den immer beliebteren Kommunikationsmitteln, die von sozialen Netzwerken bereitgestellt werden.[2] Insbesondere Facebook will die gute alte Email ja seit einiger Zeit gewaltsam mit ihren eigenen Waffen schlagen.[3]

Sollte Thunderbird hiermit wirklich vom Aussterben bedroht sein - was ich für sehr unrealistisch halte -, werde ich es dennoch weiterhin benutzen. Ich würde Thunderbird sogar jedem, der es noch nicht benutzt und eine Emailsoftware sucht, uneingeschränkt weiterempfehlen. Für den frühzeitigen Softwaretod ist Thunderbird nämlich bestens gerüstet: Im Zweifel kann man sehr einfach umsteigen, ohne seine sämtlichen Emails und Adressbucheinträge zu verlieren. Thunderbird kann diese Daten nämlich unter anderem dank der Erweiterung ImportExportTools [4] mühelos in die wichtigsten offenen Formate exportieren. Dabei spielt natürlich die Offenheit und Erweiterbarkeit von Thunderbird eine entscheidende Rolle.

Ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht macht, ist die Mailsoftware von T-Online. Da ich frühere Versionen nicht kenne, beziehe ich mich auf die aktuellste Version 6.0 [5].

Zunächst sieht man schnell, dass dieses in den 90er Jahren stecken gebliebene Stück Technik niemals in die Verlegenheit gekommen ist, "neue Impulse für den Nachrichtenaustausch im Internet zu geben": Über die Standardfunktionen des POP3-Protokolls gehen die Funktionen der Software nicht hinaus - was höchst erstaunlich ist angesichts der Tatsache, dass das Emailangebot von T-Online längst IMAP unterstützt. Entsprechend wird man sich auch nicht wundern, dass die Benutzeroberfläche nicht gerade mit Benutzerfreundlichkeit und kurzen Reaktionszeiten trumpfen kann.

Man stelle sich nun vor, ein langjähriger Benutzer dieser Software komme in die nicht gerade überraschende Situation, dass er die Emailsoftware wechseln möchte: Eine Migration zu Evolution, Mozilla Thunderbird oder meinetwegen auch zu Microsoft Outlook wird sich als äußerst schwierig herausstellen. Freilich ist die neue Software schnell eingerichtet und in der Regel hat man sich auch an die neue Bedienoberfläche schnell gewöhnt. Aber dann würde man eben doch gerne auch noch Zugang zu den alten Emails und Adressen haben, die die T-Online Software im Laufe der Jahre (scheinbar unwiederbringlich) geschluckt hat.

Wer sich der Sache zunächst selbst - ohne die Hilfe des Internets - annimmt, wird die Adressbucheinträge schnell gerettet haben, sich dann aber an den Emails die Zähne ausbeißen. Diese verwahrt die T-Online Software intern nämlich in Microsoft Access Datenbanken (in einer Datei "MsgMgmt.fdb" [6]). Dabei werden die einzelnen Bestandteile (Absender und Empfänger, Empfangsdatum, Anhänge, Nachrichteninhalt, technische Zusatzinfos usw.) beliebig kompliziert zerstückelt und in proprietäre Binärformate konvertiert. Es nimmt entsprechend nicht wunder, dass bisher nur kostenpflichtige Exportlösungen für die T-Online Mailsoftware existieren (z.B. "mailAPP pink edition" [7], allerdings war die Demo-Version in meinem Testfall instabil und hat nicht getan, was sie verspricht).

Wie eine Googlesuche schnell enthüllt, wäre die Nachfrage nach einer intelligenten Exportlösung durchaus da. Exportieren kann die Emailsoftware selbst nämlich nur das Adressbuch und einzelne Emails. Schon ab 100 Emails wird man seine liebe Müh haben, auf jede einzelne Email ein "Rechtsklick->Speichern..." anzuwenden. (Sind mehrere Emails ausgewählt, verschwindet der Eintrag "Speichern..." aus dem Kontextmenü.) Nimmt man an, der Nutzer hat im Laufe der Jahre 1500 Emails angesammelt, auf die er auch weiterhin zugreifen können will, wird der Aufwand denkbar ärgerlich.

Tutorials, wie man das Problem vermeintlich löst, indem man die gewünschten Emails weiterleitet, existieren zuhauf im Internet (sogar vom Hersteller der Software [8]). Tatsächlich sind auch diese Notbehelfe nur wenig befriedigend, falls man über 1000 Emails exportieren möchte, die zum großen Teil mit Anhängen versehen sind und nicht sämtlich unterschiedliche Betreffzeilen aufweisen.

Zuletzt bleibt der Anwender auch nach stundenlanger Recherche hilflos zurück: Es bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als jede Email einzeln oder wenigstens wenige Emails häppchenweise mit den spärlichen Bordmitteln der Software zu exportieren - eine ärgerliche Zeitverschwendung, die unter Verwendung offenerer Formate hätte vermieden werden können.

  1. golem.de/news/e-mai...ckeln-1207-93038.html
  2. tovotu.de/blog/513-...FacebookKlassenzimmer
  3. golem.de/news/faceb...n-aus-1206-92758.html
  4. addons.mozilla.org/...don/importexporttools
  5. dsl-und-dienste.t-o...6-0/id_12714420/index
  6. Ein Zugriff ist beispielsweise unter Linux mit unixODBC und mdbtools in Kombination mit LibreOffice Base oder Python möglich, siehe: tuxpool.blogspot.de...nd-die-ms-access.html
  7. dailyapps.biz
  8. forum.telekom.de/fo...eren,455,4784188.html

Kommentare

K.Beckmann 14. Januar 2014

Danke, dass dailyapps trotz der Probleme noch im "Link" geblieben ist.
Wir haben einige Änderungen und auch Verbesserungen zugefügt. Dennoch lebt eine Software nur von den Problemen, die im wirklichen Leben auftreten, und wir sind immer bereit falls Fehler auftreten, diese auch zu beheben. (wir müssen nur davon wissen -> Telefon/Mail)
K. Beckmann dailyapps

onny 9. August 2013

Vielen Dank für den Hinweis der dailyAPP-Software. Diese macht zumindest auf meinem Rechner eine recht vernünftigen Eindruck.

Moritz 17. August 2012

endlich mal wieder ein Artikel, den ich verstehe.
Danke.
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