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17. Dezember 2011
Bayern bei Regisseur Rosenmüller: Sommer der Gaukler

Dass es der Bayrische Rundfunk bisweilen schafft, wirklich unterhaltsames Kino zu machen, durfte ich bereits vor einem knappen halben Jahr überrascht feststellen, als ich "Sommer in Orange" [1] in einer Sneak Preview [2] zu sehen bekam.

Die Handlung dieses Films dreht sich um eine Gruppe so genannter Neo-Sannyas - eine spirituelle Bewegung, die zu Meditation, Leben in Kommunen und orangener Kleidung auffordert. Anfang der 1980er Jahre entschließt sich diese Gruppe aus Berlin dazu, ein spirituelles Therapiezentrum in einem kleinen bayrischen Dorf zu gründen. Die Integrationsprobleme der Großstädter werden mit besonderem Fokus auf die zur Gruppe gehörenden zwei Kinder teilweise etwas albern, aber im Großen und Ganzen gelungen in Szene gesetzt.

Marcus H. Rosenmüller, der schon bei "Sommer in Orange" Regie führte, bringt am kommenden Donnerstag, 22. Dezember, einen weiteren Film in die deutschen Kinos, der sich wieder fast vollständig um ein kleines bayrisches Dorf dreht:

Die Handlung von "Sommer der Gaukler"[3] spielt 200 Jahre früher als "Sommer in Orange": Im Jahre 1780 verschlägt es den Schauspieler und Regisseur Emanuel Schikaneder (1751-1812, bekannt als Librettist der "Zauberflöte"), der in vielerlei Hinsicht dem Piraten Jack Sparrow (Johnny Depp) aus Fluch der Karibik ähnelt, zusammen mit seiner Schauspielgruppe in ein bayrisches Bergdorf, nachdem ihm die Genehmigung, in Salzburg aufzutreten, verwehrt worden ist. Große finanzielle Schwierigkeiten und ein allgemeiner Unmut innerhalb der Gruppe führen dazu, dass der exzentrische Schikaneder von einigen seiner Schauspieler verlassen und von seiner Ehefrau betrogen wird. Als Schikaneders Gruppe anlässlich der Verlobung des Dorfrichters auftreten soll, rüstet sich gerade eine Meute von unzufriedenen Minenarbeitern zum Aufstand gegen den reichen Bergwerksbesitzer und die Situation eskaliert. Durch eine Reihe von Zufällen spielt dabei auch das junge Musikgenie Wolfgang Amadeus Mozart eine reichlich absurde Rolle als enthusiastischer Förderer Schikaneders.

Auf diesen bemerkenswert komischen Film, der auf dem gleichnamigen Roman von Robert Hültner basiert und wieder vom Bayrischen Rundfunk (in Kooperation mit ORF) gefördert wurde, stieß ich völlig unerwartet vorgestern in der Sneak Preview - ich kann behaupten, dass der Film auch ziemlich gut beim (in diesem Kino traditionell eher studentischen) Publikum ankam.

Es lohnt sich, einige weitere Worte über "Sommer der Gaukler" zu verlieren: Ein ähnlich hässliches Filmplakat hat man selten gesehen (siehe Artikelbild - es spottet wirklich jeder Beschreibung). Der eher abschreckende Trailer ist ein liebloser Zusammenschnitt aus unzähligen winzigen Fetzen des Films. In der Filmmusik finden sich unerklärliche Anklänge an bekannte Melodien aus Star Wars.

Die Handlung wird von zumeist historischen Personen an realen Schauplätzen ausgetragen und überraschenderweise ist die Abweichung von der damaligen Realität gar nicht so groß, wie man angesichts der überzogenen Albernheiten vermuten würde.

Die uns überlieferten, häufig obszönen und ausgesprochen albernen Briefe des jungen Mozart zusammen mit seiner legendären Genusssucht lassen vermuten, dass er in seiner späteren Jugend dem im Film dargestellten Weiberheld gar nicht so fern gewesen ist. Ob er noch 1780 mit 24 Jahren - bereits nach dem Tod seiner Mutter - in dieses Bild passte, ist natürlich fragwürdig. Im Film tritt er ohnehin eher als etwa 20jähriger in Erscheinung.

1780 gastierte der inzwischen verheiratete Schikaneder mit seiner Schauspielgruppe tatsächlich in Salzburg und lernte dort Vater und Sohn Mozart kennen. Führt man sich vor Augen, dass Schikaneder bei der Uraufführung der "Zauberflöte" 1791 die Figur des reichlich albernen Papageno selbst übernehmen wollte und auch sonst für übertriebene Effekte und Pomp bekannt war, erscheint das von ihm in "Sommer der Gaukler" entworfene Bild außerdem gar nicht so unrealistisch.
Die alberne Kombination aus Mozart und Schikaneder, wie sie im Film dargestellt wird, ist natürlich reichlich konstruiert und insbesondere hat keine Begegnung zwischen den beiden außerhalb von Salzburg im Jahre 1780 stattgefunden - schon gar nicht in jenem Bergdorf.
Diese Umstände tun dem Spaß am Film "Sommer der Gaukler" freilich keinen Abbruch, sondern ganz im Gegenteil ist es gerade die Mischung aus Realitätsnähe und unerhörter Überzogenheit, die maßgeblich für die Komik im Film verantwortlich ist.

Im Mai dieses Jahres hatte der Bayrische Rundfunk übrigens mit "I Phone You" [4] einen deutlich weniger lustigen Film veröffentlicht, den ich damals ebenfalls in der Sneak Preview zu sehen bekam. Hier waren der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sowie die Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein beteiligt und die Handlung spielte sich im Berlin der Gegenwart ab (Rosenmüller war an diesem Film nicht beteiligt). Mit einem netten Verriss ist es Ende Mai wenigstens Zeit Online gelungen, doch noch etwas Komisches aus dem Film herauszuholen [5].

  1. imdb.com/title/tt1608334
  2. tovotu.de/blog/491-...er-Sneak-ausgetrickst
  3. imdb.com/title/tt1714110
  4. imdb.com/title/tt1773477
  5. zeit.de/kultur/film...1-05/film-i-phone-you

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